Teil I
Auf dem Padjelantaleden
von Kvikkjokk nach Ritsem
Die Fjällstation
Kvikkjokk, von dichtem Wald umgeben, liegt auf einer kleinen Anhöhe,
von der aus man weit nach Westen in das breite Tal des Tarra schaut. Ich hatte
für die erste Etappe nach Ritsem den Padjelanta Nationalpark wegen seiner
großen Einsamkeit und Ursprünglichkeit gewählt. Hier ist das
Kerngebiet der samischen Rentierherden. Wegmarkierungen im Winter wie sonst
in Schweden üblich gibt es hier nicht. Man muss sich seinen Weg suchen.
Nur hinter der Fjällstation, eine kurze Strecke nach Norden, gibt es
einen Wegweiser zum Padjelantaleden. Auf dieser Spur erreichte ich schnell
das breite Delta des Tarra, der hier etwas weiter südwärts in den
Sakkat See mündet.
Aber bald schon fächerten
sich die Scooterspuren auf und eh ich mich versah, begann es zu schneien.
Da ich nicht mehr viel sah, hielt ich mich auf der Hauptspur westlich. Das
Schneetreiben wurde immer dichter und schon bald konnte ich keine Spuren mehr
erkennen. Als ich schließlich im hohen Schnee fast stecken blieb und
eine GPS Positionsbestimmung vornehmen musste, stellte ich betroffen fest,
dass ich mich am westlichen Ende des Mierdek Sees befand. Also hieß
es, einschwenken nach Süden und sich quer durch Buschwerk und Birkenwäldchen
in tiefem Schnee wieder zurück zum Tarra durchzukämpfen. Da der
Tarra sich hier nun ein engeres Bett gegraben hatte, gingen die Ski- und Scooterspuren
wieder zusammen und waren mühelos zu erkennen.
Ich kam auf dem Tarra
gut voran. Da sah ich aus der Ferne zwei Skilwanderer mit Pulka. Ein kleiner
Junge von vielleicht 14 Jahren und ein wettergegerbter Mann im mittleren Alter,
saßen auf ihrer Pulka und ruhten sich aus. Kurzes Gespräch: Wo
kommt ihr her? Wo gehst du heute noch hin? Da meinte der Mann plötzlich,
dich kenne ich doch! Heißt du nicht Klaus? Ich war perplex und fragte
ihn, bist du vielleicht Olaf, der wieder in pädagogischer Mission mit
einem Jungen unterwegs ist. Er nickte und wir gaben uns die Hand und freuten
uns über diesen Zufall, denn ich hatte Olaf tatsächlich auf meiner
ersten Lapplandtour vor 8 Jahren getroffen. Wir hatten damals mehrere Abende
gemeinsam in den Hütten verbracht. Dann sagte er mit einigem Bedenken,
du bist nicht weiter als 4 km von Kikkjokk entfernt. Bis Tarrakaise sind es
noch 16 . Ja, du hast recht, werd ich wohl bei Tageslicht nicht mehr schaffen.
Nun gut, ich habe ein Zelt dabei. Davon hielt er nicht viel und meinte nur,
aber mit Stirnlampe wäre doch kein Problem zur Njunjes Hütte zu
gelangen.Wozu hat man denn eine Stirnlampe?
6
km lief ich noch durch Fichtenwälder bis ich an das Haus "Bäcken"
kam. Dort zögerte ich nicht lange und baute in einiger Entfernung mein
Zelt auf. Gegen 19 Uhr dunkelte es. Ich musste mich beeilen. Da stieg ein herrlicher
Vollmond hinter dem schwarzen Waldsaum auf und brachte den Schnee fast zum Leuchten.
Einige Nordlichter flackerten am Himmel. Es war bitter kalt (-15° C) und
nachdem ich mir einen warmen Tee aufgebrüht hatte, kroch ich sofort in
meinen Schlafsack und schlief ein.
Schneetreiben
auf dem Mierdek See
Gleich
beim ersten Morgengrauen, packte ich meine Sachen und machte mich auf den Weg
in die 10 km entfernte Tarrakaise Hütte. Relativ flach ging es durch Fichten-
und Birkenwälder und ab und zu auch mal über einen Bach, der nicht
überall zu gefrorenen war. Kein Problem, aber aufpassen!
Am Abend erreichte noch
ein Skiwanderer, der von Kvikkjokk gekommen war, die Hütte. Es war Finn,
ein Grönländer. Zu meiner Überraschung sprach er sogar ein
wenig deutsch.Viel unterhielten wir uns nicht, denn jeder war mit der Zubereitung
des Abendessens und der Vorbereitung auf den nächsten Tag beschäftigt.
Am
nächsten Tag herrschte im Tarratal schönes Wetter. Finn hatte sich
8 Uhr auf den Weg zur Sammarlappa Hütte aufgemacht. Er trug einen Rucksack,
hatte keine Pulka und fuhr auf ziemlich schmalen Langlaufskiern. Auch er wollte
nach Ritsem. Wir mussten uns also in der Sammalappa Hütte wieder treffen.
Da gerade die Jagdsaison auf Schneehühner begonnen hatte, waren viele Scooterfahrer
unterwegs.
Manchmal
hielten sie auf dem Tarra und erkundigten sich genau nach der Entfernung zur
nächsten Hütte oder sie fragten mich eingehend, was ich vor hatte
und ob das nicht gefährlcih wäre, so allein
im Padjelanta unterwegs zu sein.
So richtig wusste ich nicht, was ich sagen sollte und murmelte, dass das nicht
meine erste Tour sei. Sie nickten und wünschten mir mit erhobenem Daumen
gute Reise.
An
der Sammarlappa Hütte herrschte ein reges Treiben der Scooterfahrer. Mit
ganzen Bündeln von Schneehühnern waren sie von der Jagd zurückgekehrt.
Die Hütte war brechend voll. Hier lernte ich einen deutschen Arzt aus Jokkmokk
kennen, den die Liebe nach Lappland verschlagen hatte. Er suchte das Gespräch
und genoss es offentlichtlich, wieder einmal die deutsche Sprache zu hören
und zu sprechen. Weißt du Klaus, in Deutschland war es immer mein Traum
gewesen, in Lappland zu sein. Nun bin ich in Lappland und der Traum ist erfüllt.
Du verstehst, ich habe den Traum nicht mehr, ich lebe die Realität. Ja,
wie wahr.
Das
ist Finn, der Grönländer. Diesmal vereinbarten wir gemeinsam zur Tarraluoppal
Hütte zu laufen.
Der
Track führte uns am linken Ufer des Tarra in den Padjelanta Nationalpark.
Hier hörten die Scooterspuren auf. Hatten wir anfangs noch schönes
Wetter bei bewölktem Himmel, leichtem Wind und Minustemperaturen um 5 Grad,
so zog am frühen Nachmittag eine graue Wolkenwand auf, der Wind frischte
auf und es schneite, je näher wir an die Hütte kamen.
Kaum waren wir in der
Hütte, da brach ein Schneesturm los, wie wir es nicht für möglich
gehalten hatten. Die Hütte zitterte und im Kamin heulte es. Die Toiletten
konnten wir nicht mehr erreichen. Am nächsten Morgen tobte der Schneesturm
in unverminderter Stärke weiter. An einen Weitermarsch war nicht zu denken.
Wir konnten die Hütte nicht verlassen und mussten den Sturm abwarten.
Wir sicherten uns, wenn einer Schnee zum Auftauen im Eimer holte.
Wir
vertrieben uns mit Lesen und Unterhalten die Zeit und dann endlich am frühen
Nachmittag des zweiten Tages ließ der Sturm endlich nach.
Sofort schnallte ich
die Skier unter und machte einen kleinen Probelauf in der näheren Umgebung.
Finn kam später
nach. So allmählich besserte sich das Wetter. Die Sonne brach durch milchige
Wolkenschleier.
Leider machte sich auch
ein unangenehmer Whiteout bemerkbar. Man sieht dann im Schnee keine Kontouren
mehr. Alles ist unterschiedslos weiß. Man weiß kaum wo man hintritt
und sieht dann auch Spalten und Abbruchkanten von Schneewehen nicht mehr.
Ich lief an der vom Sturm
ziemlich mitgenommenen Tuottarhütte vorbei auf eine ausgedehnte Hochebene.
Am
nächsten Tag brachen wir fast zu einer Gewalttour auf. Finn wollte zur
Arrasluokta und ich zur Saltoluokta Hütte. Für Finn lag der Hauptgrund
vor allem darin, dass seine Essensvorräte ziemlich genau eingeteilt waren.
Hier
half mir eine noch einigermaßen zu erkennende Scooterspur und der vom
Wind festgepresste Schnee weiter, ein gutes Tempo vorzulegen.
Nach
knapp 30 km erreichte ich spät am Abend und ziemlich geschafft die Staloluokta
Hütte. Auffälligstes Kennzeichen von Staloluokta ist die Kirche mit
dem Glockenturm. Versammelt und gebetet wird in der Samenkota nebenan. Hier
offenbart sich, dass der Padjelanta Nationalpark eine Region in Schweden ist,
die von Samen bevölkert wird und auch unter samischer Verwaltung steht.
Von Alters her haben die Samen hier ihre Rentierherden zusammen getrieben.
Korinne und Laurant, die
beiden französich sprechenden Schweizer hatten sich schon eingerichtet
und als ich kam, bot mir die freundliche Schweizerin eine Tasse heißen
Tee mit den Worten an, das kannst du bestimmt gut gebrauchen. Wahrlich , wahrlich!
Der Hüttenwirt war so freundlich aus dem See Trinkwasser mit seinem Scooter
herauf zu bringen. Korinne und Laurant, die leidenschaftlich für ihre Outdoorreisen
lebten, erzählten von ihren Erlebnissen in Spitzbergen. Es war eine spannende
Erzählung, die neugierig auf eine Reise nach Spitzbergen machte.
Den
nächsten Tag brach ich 8 Uhr morgens zur Arrasluokta Hütte auf. Es
war eine seltsame Wetterstimmung und ich konnte nur hoffen, dass sich hier nichts
zusammenbraute. Da es frisch geschneit hatte, musste ich eine neue Spur legen.
Korinne und Laurant, die später nachkamen holten mich aber bald ein.
Schon
bald nach diesem Bild brach die Hölle los. Erst im Viertelstundentakt,
dann alle paar Minuten setzte ein wütender Schneesturm ein, bei dem ich
so gut wie nichts sehen konnte und einfach stehen bleiben musste. Zur Umkehr
war es zu spät. Mir blieb also nichts anderes übrig, als den Weg um
den Berg Padjelanta, mittels Kompass und GPS zu finden. Es kam dabei darauf
an, nicht zu hoch in den Berghang und nicht zu tief in das Arrastal zu gelangen.
Aber ohne Sicht war es fast Glückssache einen gangbaren Weg zu finden.
Alle 50 Schritte hielt ich an und bestimmte Position und weitere Richtung. Aber
immer wieder wurde ich unerwartet von Felsbrocken, Hängen und Gräben
gestoppt, die ich quasi erst in letzter Sekunde sah.
Am
späten Nachmittag ließ der Sturm nach und der Himmel hellte sich
auf. Ich war unendlich froh die Hütten von Arrasluokta zu sehen. Sieben
Uhr abends erreichte ich sie und musste konstatieren, dass ich für 14 km
11 Stunden unterwegs war.
Am
nächsten Morgen war der Himme so grau und das Licht so diffus, dass ich
nur mit GPS und Kompass den Weg um und über den Berg Arras fand. Ich wollte
zur Brücke auf über den Miell , um von hier aus den Pass und die Hochebene
zwischen Mulka und Huornrasji zu erreichen. Den Anstieg von 600 m auf den knapp
900 m hohen Pass musste ich leider bei völligem Whiteout bewerkstelligen.
Oben auf der Höhe lockerte die Wolkenschicht auf und es kam sogar die Sonne
ein wenig hervor.
Bei
der anschließenden Abfahrt zum Laddejakka mit 300 m Höhenunterschied
hatte ich leider wieder mit Whiteout zu kämpfen. Die Pulka schob mich immer
schneller den Berg hinab, sodass alles bremsen im Pflug nichts mehr half. Wie
von Geisterhand getragen und ohne etwas zu sehen fuhr ich hangabwärts,
bis es auf einmal einen furchtbaren Schlag gab. Ich war an einer steilen Schneewächte
in die Tiefe gefallen. Die Pulkaaufhängung war mir aus dem Gurt gerissen
und lag seitlich von mir nebenan im tiefen Schnee. Ich fühlte erst mal,
ob ich verletzt war und hatte außer einem schmerzenden Knie und verdrehten
Beinen nichts zu beklagen. Langsam befreite ich mich von den Skiern, wühlte
mich zur Pulka und reparierte den Schaden so gut es ging. Meine Nerven beruhigten
sich und ich machte aus dem Loch heraus ein Foto. Ich glaube man erkennt die
obere Absturzkante. Mühsam versuchte ich aus der Vertiefung, seitwärts
heraus zu kommen. Nach zwei Stunden endlich hatte ich es geschafft und fuhr
diesmal bei besseren Sichtbedingungen ganz vorsichtig den Rest des Berges hinab.
Die
Schlucht des Ladde
In
der Laddejakka Hütte erholte ich mich erst einmal von dem Sturz und ließ
den nächsten Tag sehr ruhig angehen. Nach gründlicher Wäsche
und Rasur hatte ich mich von meinem Räuberzivil befreit. Es war ein strahlender
Sonnentag. Nun bei guter Sicht suchte ich den Hang nach der Stelle des Sturzes
ab. Jetzt sah ich, dass es am Berghang viele Einschnitte gab, an denen ein solcher
Fall möglich gewesen wäre.
Heute
war ich von den Anstrengungen der letzten Tage müde. Ich nahm mir also
Zeit bei der Überwindung des Logadasji und hielt mich weiter hangabwärts
zum Vastenjaure hin. Immer wieder bewunderte ich den Ahkka, den heiligen Berg
der Samen, dessen Gipfel ein wenig leuchtete.
Schon
am frühen Nachmittag bedeckte sich der Himmel wieder und am späten
Nachmittag gegen 17 Uhr kam ein unangehmer Wind auf. Ein Hubschrauber kreiste
über mir. Das war kein Zufall, ich sollte gewarnt werden. Da ich noch ca.
6 km bis Kisuris hatte, was mindestens zwei Stunden gedauert hätte, beschloss
ich, sofort mein Zelt aufzubauen. Der Wind zerrte an der Zeltplane und ich hatte
alle Mühe die Stangen in die Kanäle zu führen. Kaum hatte ich
das Zelt aufgebaut, als es plötzlich ein unangenehm reißendes Geräusch
gab. Der hintere Gestängebogen war gebrochen und nun ragten die Enden durch
den Gestängekanal. Ich war mittlerweile in dem starken Wind völlig
ausgekühlt mit eisigen Füßen und kalten schmerzenden Fingern.
Verdammt, dass das jetzt passieren musste. Mir blieb nichts anderes übrig,
als das Gestänge zu reparieren, sonst hätte ich keinen Schutz gefunden.
Also fummelte ich das kaputte Gestänge heraus und schob mit etwas Gewalt
eine für diesen Zweck gedachte Hülse über die Bruchstelle. Und
dann wieder rein in den Kanal. Der Wind riss wütend am Zelt. Ich kroch
hinein, zog Schuhe und Jacke aus und schlüpfte ansonsten mit voller Montur
in den Schlafsack. Kein Essen, kein Trinken, nur Schutz vor der Kälte und
dem Wind. Schon bald schlief ich ein.
Morgens
4 Uhr ließ der Sturm nach und schlief schließlich ganz ein. 5 Uhr
stand ich auf, packte alles zusammen, wobei ich das Zelt mit Stangen nur zusammen
rollte und marschierte 6 Uhr weiter zum Kutjaure. Die Sicht war mäßig.
In majestätischem Schweigen fielen die Hänge des Ahkka zum Kutjaure
und Vuojat Fluß hinab. Nur ein paar Elche trotteten durch den Schnee über
eine ausgedehnte Lichtung.
Ursprünglich
hatte ich vor, quer über den Kutjaure zu gehen. Aber irgendetwas warnte
mich. Ich sah keine Scooterspur und fand die Schneedecke auf dem See zu hoch.
Also verzichtete ich auf die Abkürzung und lief am Ufer des Kutjaure entlang
bis zum Fluss Voujat, der hier ein breites Tal in weiten Mäandern bis zum
Ahkkajaure durchströmt. Ziel des heutigen Tages war die Ahkka Hütte,
doch falls ich schneller auf dem Fluss sein konnte, vielleicht sogar Ritsem.
Schon bald zeigte sich,
dass der Fluss nicht einheitlich zugefroren war, sodass mir nichts anderes übrig
blieb, als in der Uferzone oder in den Birkenwäldern auf dem erhöhten
Ufer den tiefen Schnee zu durchpflügen. Es machte sich bemerkbar, das sich
das Gestänge und die Aufhängung meiner Pulka bei dem Sturz stark verbogen
hatten und deshalb Skispur und Pulkaspur nicht mehr übereinstimmten. Es
kostete einfach mehr Kraft, den Schlitten durch den tiefen Schnee zu ziehen.
Im
Laufe des Nachmittags klarte der Himmel immer stärker auf und die Sonne
schien erst vorsichtig und dann immer strahlender in das Flusstal. Der heilige
Berg Ahkka fing an zu leuchten. So anstrengend die fast 10 km am Ufer des Voujat
auch waren, ich genoss die wärmenden Strahlen der Frühlingssonne und
die herrliche Sicht auf die umgebenden Berge des Flusses. Schließlich
erreichte ich die Ahkka Hütte am späten Nachmittag und wurde schon
von weitem von Björn, dem Hüttenwirt, erwartet.
Ich verstand mich von
Anfang an gut mit Björn und schon bald entspann sich ein reger Tauschhandel
zwischen uns. Meine Butter gegen seinen Tee und Zucker, weil ich mittlerweile
meinen Zucker für die tägliche Thermoskanne aufgebraucht hatte.
Es dauerte schon ziemlich
lange bis die Sonne so allmählich unter ging. Aber so einen wunderschönen
Abend wie heute hatte ich hier noch nicht erlebt. Die ganze Ruhe und der Friede
Lapplands schienen sich über dem Land auszubreiten.
Den
nächsten Tag kam ein Freund von Björn und die beiden machten sich
für den Fischfang bereit.
Als
ich nun endlich auf dem Ahkkajaure nach Ritsem lief, konnte ich sehen, wie die
Beiden ein Netz durch die Angellöcher zogen. Björn (rechts)gab Leine
und sein Freund (oben) las die Fische aus dem Netz.
Der
Ahkkajaure gehört zum Verbund der schwedischen Stauseen, die der Stromerzeugung
auch im Winter dienen. So kommt es, dass bei sinkendem Wasserstandspegel die
ebenfalls sinkende Eisdecke des Sees in Flachbereichen durch erhöhte Felsbrocken
durchstoßen wird.
Der
Track nach Ritsem zog sich aus Sicherheitsgründen oft nah um Ufer oder
in Flachzonen bleibend ca 15 km auf dem Eis dahin. Hier war es nicht schwer
die Pulka zu ziehen. Ab und zu kamen mir auch Wanderer und Scooterfahrer entgegen.
Eine junge Frau mit dickem Rucksack scatete in großen Tempo an mir vorbei.
Eine andere war zu einem Plausch aufgelegt und beklagte sich über ihren
Hund, der sie nur auf dem flachen See oder den Berg hinab ziehen wollte.
Es
dauerte lange bis ich endlich die läglichen Holzhäuser von Ritsem
erkennen konnte. Zum Schluss musste ich mich sogar noch kräftig ins Zeug
legen, um auf den Berg hinauf zu kommen.
In
dem schmucken Empfangsgebäude wurde mir ein Einzelzimmer für ca. 35
EUR zugewiesen. Küche, Wc im gleichen Haus und eine komfortable Dusche
versüssten mir den Aufenthalt in Ritsem. Leider ließen mich die beiden
jungen Damen nicht an ihren "Werkscomputer", sodass eine Nachricht
via Internet nicht möglich war. Dafür konnte man hier ein kühles
Bier für 200 SEK die Dose erwerben, wenn auch nur mit 3,5° geistigem
Gehalt. So kaufte ich mir für den ersten Abend einige Eier und eine Dose
Bier "Lapplandgold" und briet mir in der Küche eine Pfanne Rührei
mit deutschem Speck, den ich noch in meinem Bestand hatte. Das kühle Bier
dazu und die Welt war vollkommen in Ordnung.
Im
Essraum hatte ich es mir an einem Fensterplatz bequem gemacht. Hier nahm ich
meine Mahlzeiten ein und schrieb auch mein Tagebuch. Ich legte zwei Ruhetage
ein und plante die nächste Etappe nach Abisko. Etwas Besseres hätte
ich auch im Augenblick nicht machen können, denn es schneite mal wieder.
Schließlich
erreichte ich nach einem kleinen Anstieg das Nordufer des Tarrajaure. Schon
um die Mittagszeit blinzelte mir eine kleine Hüttenansammlung durch das
Birkenwäldchen entgegen. Es waren die Tarrakaise Hütten. Da wieder
dunkle Wolken aufzogen, war ich froh, schon jetzt in einer der gemütlichen
Stuben untergebracht zu sein. Der Hüttenwirt war so freundlich, mir ein
Feuer anzuzünden und Wasser aus der 100 Meter entfernten Quelle heran zu
schleppen. Keine Selbstverständlichkeit. Danke!
Nun
erzählte mir Finn, dass er jetzt eigentlich in Dänemark lebte, obwohl
er in Grönland aufgewachsen war und sein ganzes Leben dort verbracht hatte.
Ich merkte ihm an, dass seine Gedanken nur um Grönland kreisten und fragte,
warum bist du nicht in Grönland geblieben. Er wäre es gerne, denn
er sei jetzt im Ruhestand, aber die Rente reiche nicht für ein Leben in
Grönland. Ich war erschüttert.