Dienstag, 24.April

10. Tag Start 12 Uhr Le Puy, Ankunft 20 Uhr Brugiere, 76 km

Weg: Lepuy en Velay, auf D 589 über Bains, Monistrol nach Sauges, auf D 585nach Esplantes, auf D 587 nach la Brugere

Stehe sehr früh auf, um die Frühmesse 7 Uhr besuchen zu können. Die Stadt ist noch menschenleer. In der Kathedrale drängen sich die Pilger. Ein feierlicher Augenblick, die Messe beginnt. Es wird französisch gesprochen und gesungen. Um mich herum nur andachtsvolle Gesichter, manchmal von Morgenmüdigkeit gezeichnet. Ich muss kein Französisch verstehen, um zu wissen, dass unser weiterer Weg nach Santiago gesegnet werden soll. Wenn ich auch sonst nicht stark im kirchlichen Sinne bin, aber an den Segen des Herrn glaube ich. Eine seltsame Kraft erfasst mich. Mit dem Medaillon der schwarzen Madonna, die mir eine Nonne schenkt, kann ich nicht viel anfangen, obwohl ich weiß, wie wichtig den Pilgern die Marienverehrung in Le Puy ist. Ich reihe mich in die Schlange der Gläubigen, die darauf warten den Leib Christi zu empfangen. Als ich die Hand wie die anderen auch öffne, schiebt der Pfarrer sie resolut zur Seite und legt mir die Hostie auf die Zunge. Ich beuge mich dem sanften Druck der Kirche, auch wenn ich es nicht verstanden habe. Was ich als Pilger wirklich stark genieße, ist die Gemeinschaft der Gäubigen. Als sich die Kathedrale wieder leerte, kam mir das Kirchenschiff so riesig vor und ich darin verloren.

Einige Kilometer nach Le Puy steigt es ziemlich heftig bergan. In der Hitze quält mich bald starker Durst. Die Straße windet sich durch das Bergland des Velay und der Maguerite. Eine wunderschöne Gegend, herrlich bewaldet mit den schönsten Ausblicken auf Berge und Täler. Aber als ich auf einer schlecht beschilderten Umleitung hinunter nach Monistrol fahre, kann ich die Schönheit nicht mehr genießen, sondern müsste auf der halsbrecherisch steilen Abfahrt um mein Leben fürchten, falls mir hier ein Baudenzug der Bremse reißen sollte.

Auf dem GR 65 mit dem Fahrrad fahren zu wollen, ist ganz und gar unmöglich, weil der Wanderpfad sich die steilen Hänge hinauf- und hinunterschlängelt. Nicht einmal schieben könnte man hier. Seltsamer weise stoße ich in dieser Region kaum auf Brunnen. Bis in den späten Nachmittag muss ich mir jeden Meter auf der Straße erkämpfen. Zwei riesenlange Steigungen rauben mir die letzte Kraft, sodass ich bis Sauges für 45 km vier Stunden brauche. Immer wieder rufen mir Autofahrer, Radrennfahrer und die Menschen in den Dörfern "Bon courage" zu. Es muntert mich auf, aber ich habe nichts mehr zuzusetzen. Langsam ballen sich dicke Wolken zusammen und es wird kühler.

Vor Esplantes frage ich eine Frau nach einem Campingplatz. Innerhalb von Minuten kommt fast das ganze Dorf zusammen und gibt mir Ratschläge, was ich am Besten machen solle, weil es hier nämlich keinen Campingplatz gäbe. Eine ältere Dame, schick zurecht gemacht und mondän, als ginge sie gleich ins Moulin Rouge, rät mir zu "Camping Sauvage". Irgendwie stehe ich auf der Leitung und kapiere nicht. Aber als sie mit einladender Geste in die Landschaft zeigt, fällt der Groschen. Solche Gedanken habe ich der feinen Dame gar nicht zugetraut. Für heute abend nehme ich mir vor, mal wieder wild zu campen.

Kurz vor Brugiere finde ich im Hochland einen einen gut ebenen, aber von der Straße leider einsehbaren Platz zum Zelten. Testhalber bereite ich mir hier erst einmal mein Abenbrot. Eine Nudelsuppe mit Speck, die mal wieder wunderbar schmeckt. Leider werde ich beobachtet. Also breche ich später wieder auf und finde ein paar 100 Meter weiter eine ebenso gute Stelle unter Pinien. Das Zelt baue ich erst in der Dämmerung auf. Jetzt sieht mich von der Straße aus kein Mensch mehr. Bin jetzt richtig happy. Es geht doch wirklich nichts über Camping Sauvage. Wie zur Belohnung genieße ich die große Dose Becks, die ich durch die Berge bis hier hin geschleppt habe.

Mittwoch, 25. April

11.Tag Start 9 Uhr La Brugere, Ankunft 20 Uhr Espalion, 104 km

Weg: Camping im Hochland vor la Brugere, auf D 587 bis kurz vor la Roche, auf D 987 bis Alban sur Limagnole, Aumont-Aubrac, Nasbinals, Aubrac, D 533 St. Chely Aubrac, D 987 Espalion

Trotz Camping Sauvage spät aufgestanden (6.45 Uhr), mach ich sonst eigentlich nicht. Die Nacht war sternenklar. Heute morgen ist es kalt. Packe schnell mein Zelt zusammen und dann brate ich mir zwei saftige Steaks. Die esse ich in aller Ruhe und Genüsslichkeit. Das sind herrliche Augenblicke des Verweilens.

9 Uhr sitze ich wieder im Sattel und freue mich unterwegs zu sein. Das Hochland von Alban ist manchmal bewaldet, oft aber dehnen sich nur karge Almen über das hügelige Land. Ab und zu schlängeln sich muntere Bäche durch die Wiesen, die über und über mit blühenden Osterglocken bewachsen sind. Weiden werden durch Steinmauern abgetrennt. Aber das Vieh hat man noch nicht aufgetrieben.

Morgendliche Rast an einer hübschen kleinen Kapelle. Hier sprudelt eine Quelle aus einem originellen Wasserhahn. Ein Hundekopf mir Ohren und Augen. Ich atme tief ein, denn es duftet wunderbar nach Pinien. Mit aufsteigender Sonne wird es wieder richtig warm. Nun beginnt die Landschaft allmählich südlicher zu werden. Rase in furchtbarem Tempo den Berg hinunter nach St. Alban. Eine kleine Entschädigung für die mühsame Schieberei bergauf.

In St. Alban hole ich mir bei einer alten Frau meinen Stempel. Eine Spende will sie nicht. Sie täte ihr Pflicht, das reiche. Am Ortsrand treffe ich eine Pilgerin, die mich sofort fragt: "Können Sie mich auf dem Gepäckträger mitnehmen?" Ich lache. Dann schiebt sie schnell hinterher: Nee, ich finde das Laufen besser als das Radfahren." "Radfahren ist auch schön", erwidere ich. "Ja, hätte ich auch gemacht, aber ich konnte mir kein Rad leisten." Was sollte ich dazu sagen? Die Gute machte einen kaputten Eindruck und bewegte ihre Beine am morgen so, als hätte sie schon 36 Kilometer strammen Fußmarsch hinter sich.

Am frühen Nachmittag ziehen Wolken auf und es wird empfindlich kalt. Am Aubrac Pass 1380 m befürchte ich, dass es regnen könne. Und tatsächlich, es tröpfelt und ein frischer Wind bläst mir entgegen. Jetzt wird es mühsam. Diese karge baumlose Hochebene bietet nicht den geringsten Schutz. Steinig, öd und braun liegt sie vor mir, als hätte hier bis vor kurzem noch Schnee gelegen. Ich ziehe die Regenjacke an, stülpe die Kapuze über und schlüpfe in die Handschuhe.

Aubrac ist ein düsterer Ort. Er passt in diese freudlose karge Hochebene. Kirche und Häuser sehen aus wie wehrhafte Ritterburgen, graue Kalksteinmauern, die meterdick sein könnten und doch war es nur ein Kloster, das sich vor langen Zeiten der Betreuung Armer, Kranker und vorbeiziehender Pilger widmete.
Rasende Abfahrt nach St. Chely Aubrac. Langsam kommt die Vegetation wieder und es wird auch wärmer. In Chely scheint sogar wieder die Sonne ein wenig. Ich versuche eine Herberge zu finden und läute an einer Gite. Der Gemeinschafts-Schlafsaal sei besetzt, sagt mir die wohlbeleibte Herbergsmutter, sie könne mir aber ein Einzelzimmer anbieten. "Wieviel kostet es?" "44 EUR." "Danke." Komisch, in dem Haus ist es mucksmäuschen still. Keine einzige Menschenseele sehe ich. Wenn so eine Herberge voll ist, dann geht es aber zu. Ich fahre weiter.

In Espalion finde ich gleich einen Campingplatz. Schlage mein Zelt neben dem Fluss Lot auf und beginne sofort meine Abendmahlzeit zu bereiten. Ein Luxemburger mit luxuriösem Wohnmobil sucht das Gespräch. Er horcht mal in die unpretensiöse Welt eines einfachen Pilgers. Als es kühler wird, zieht er sich fröstelnd in sein Mobil zurück. Ich spreche langsam besser Französisch. Auf dem Jakobsweg sollte man die Landessprache sprechen. Das macht einfach Spaß.

 

Donnerstag, 26. April

12.Tag Start 7.45 Espalion, Ankunft 19.30 Uhr Beduer, 106 km

Weg: Espalion, am Lot entlang über Estang, Entraygues bis D 963, D 627, D 21 Montredon, St. Jean Mirabel, Figeac, D 662, D 19 Beduer Campingplatz

Unglaublich kalte Nacht mit viel Tau. Ich packe alles schnell ein, weil mir die Finger steif werden und schmerzen. Ohne zu Frühstücken radle ich mit Handschuhen am Lot entlang nach Entraygues. Hier am Lot gefällt mir einfach alles. Ich radle wie der Wind und bin bestens aufgelegt.

In dem Städtchen Entraygues fließt die Tryere in den Lot. Beides sind recht ansehnliche Bergflüsse, die sich auf den ersten Blick kaum voneinander unterscheiden. Ich musste irgendwie über den Lot kommen und dann die Tryere überschreiten, um am richtigen Ufer des Lot meinen Weg fortzusetzen. Also folgte ich der liebevollen Beschreibung einer älteren Dame, erreichte aber partout nicht das Ufer des Lot. Entweder ging ich unbemerkt wieder über den Lot zurück oder ich dachte, ich wäre über den Lot gegangen und befand mich schon auf der anderen Seite der Tryere. Jedenfalls landete ich wieder in der Innenstadt und war keinen Schritt vorangekommen. Weil ich da nun schon mal war kaufte ich Erdbeeren, die ich gleich noch vor der Ladentür aß. Da tauchten komische deutsche Touristen auf, die mich fast umrannten, dennoch sich weder entschuldigten, geschweige ein nettes Wort wechselten. Kühne Behauptung: Deutsche Fußgänger haben etwas gegen Radfahrer. Jedenfalls hatte ich mir die Richtung gemerkt, aus der sie gekommenen waren und siehe, das war mein Weg. So war ich ihnen dankbar und behielt sie in bester Erinnerung.

Das Wetter hellt sich immer mehr auf. Die Sonne scheint nun voll in das schluchtenartige Tal des Lot und es wird richtig warm. Stundenlang radle ich auf der kleinen Uferstraße den Lot entlang. Wie eine Parkallee säumen alte Bäume die kleine Straße, die sich eng an jede Windung des Flusses hält. Der Schatten tut gut, denn ich habe mal wieder tüchtig Durst und Brunnen sind hier nicht angelegt. Schließlich klopfe ich an die Tür eines kleinen Bauernhofes und bitte um Wasser. Klar, dem Pilger wird gern Wasser gegeben. Kalt und aus der gekauften Flasche, denn Wasser aus dem Hahn zu trinken ist, bei vielen Franzosen verpönt. Als sich das Tal des Lot wieder öffnet, da wird mir klar, dass das die schönste Strecke war, die ich bis jetzt auf dieser Reise geradelt bin. Ich glaube fast, schöner kann es gar nicht mehr werden. Fast euphorisch freue ich mich, dass ich diese Reise unternommen habe.

In Figeac (16 Uhr) hole ich meinen Stempel beim Presbyterium. Sie tun geschäftig und sagen nichts. Nur eine jüngere Frau schaut neugierig zu mir hinüber. Als ich vor der Tür mein Rad fasse, um weiter zu fahren, kommt sie aus dem Haus gestürzt und fragt, wo ich herkomme und wohin ich fahren wolle. Ich berichte. Da meint sie nur, die Freiheit auf einer solchen Reise müsse doch herrlich sein. Ja, sage ich, das ist ein wichtiger Punkt, vieleicht manchmal sogar der wichtigste und verabschiedete mich. In der Kathedrale musste ich noch einmal daran denken. Die Freiheit bei einer solchen Tour ist ein großes wertvolles Gefühl. Wann hat man das schon einmal? Eingebunden in alle möglichen Zwänge beruflicher und privater Natur, weiß man oft gar nicht mehr, was innere Freiheit eigentlich bedeutet. Nun gut, auch der Jakobsweg hat seine Zwänge, aber die kann man annehmen oder ihnen ausweichen. Irgendwann wird sich die junge Frau auch auf den Weg machen.

Besichtige die Eglise de St.-Sauveur, eine alte Klosterkirche, und gehe anschließend noch durch die Stadt, um mir die Hyroglyphentafel auf dem Place des Ecritures anzusehen. Es ist eine Nachbildung des Steines von Rosette die Campollion , der berühmteste Sohn der Stadt als erster übersetzt hatte.

Einige Kilometer hinter Figeac winkt mich ein Mann auf einen Campingplatz. Hier bleibe ich. Die Wirtin macht leider in ihrer Preisgestaltung einen raffigen Eindruck, weshalb ich mir mein Essen selber mache. Dazu trinke ich erst Bier und dann Wein. Hat mal wieder herrlich geschmeckt. Danach heiße Dusche und dann sofort in den Schlafsack.

Freitag, 27. April

13. Tag Start 8 Uhr Beduer, Ankunft 19.15 Nähe Moissac, 127 km

Weg: Campingplatz Beduer, D 19 bis Cajarc, D 662 am Lot entlang bis Cahors, D 7 Lauzerte, D 953 St. Pierre de Nazac, D 957 St. Julien, Camping 6 km vor Moissac

Stehe sehr füh auf. Da passiert es. Als ich mein Hinterrad aufpumpen will, kippt das Rad um und das Ventil bleibt in der Luftpumpe stecken. Es ist schlicht abgebrochen. Also das ganze Gepäck runter und einen neuen Schlauch aufgezogen. In 20 Minuten steht das Fahrrad mit aufgepumpten Reifen und voll beladen wieder vor mir.

Gemütliches Frühstück mit dem lustigen Daniel und weiteren Gästen in der Cafe-Bar des Campingplatzes. Er erzählt mir, dass er arbeitslos geworden sei und sich Mitte März von Fribourg aus auf die Pilgerschaft nach Santiago begeben habe. Um die Zukunft mache er sich keine Sorge. Irgendwie wird es weiter gehen. Er habe da großes Gottvertrauen. "Sag mal Klaus" fragt er mich unvermittelt, "warum hast du dich so schwer beladen?" Er hatte kurz vorher mein Fahrrad gesehen und mich in Ton und Mimik so gefragt, als hätte ich mir absichtlich Buße für meinen Pilgerweg auferlegt. Etwas frappiert, dass man das so sehen könne, sage ich ihm: "Nein, Daniel, ich mache den Weg nicht um Buße zu tun, sondern um meinem Schöpfer zu danken." Er war mit der Antwort hoch zu frieden und klopfte mir auf die Schulter.

Für den winzigen Kaffee und das Apfelkucheneckchen verlangt die Wirtin 4 EUR. Wir brechen gemeinsam auf und Daniel sagt, wenn der Herr es will, schaffe ich es bis nach Santiago. Oh ja, da hatte er recht. Einen so langen Weg konnte man nur mit dem Segen des Herrn vollenden.Ich strample gleich auf der kleinen kurvenreichen Landstraße durch die bewaldete Hügellandschaft nach Cajarc. Der Morgen ist wie immer sehr frisch. Es scheint zwar die Sonne, aber der Himmel ist nicht wie gestern blau, sondern weiß und dunstig. Ab Cajarc radle ich wieder am Lot entlang. Eine schöne Strecke aber nicht mehr ganz so wild und urwüchsig.

In Cahors bin ich am frühen Nachmittag. Auf meiner Suche nach einem Stempel für meinen Pilgerpass treffe ich auf zwei junge Nonnen. Ich schließe mich ihnen an und lasse mein Fahrad am Presbyterium stehen. Die Frauen, beide hager, in Sandälchen und einem winzigen Rucksäckchen auf dem Rücken, an den ein Waschlappen zum Trocknen hin und her baumelt, suchen eine ganz bestimmte Unterkunft. Sie erzählen mir, sie seien von Belgien aus hierher gepilgert. Ich kann es kaum glauben und frage: "Die ganze Strecke zu Fuß?" Nein, nicht die ganze Strecke, sie seien auch gefahren. Ja, wo sie denn gefahren seien, frage ich. Aber komisch, so richtig rausrücken wollten sie mit der Sprache nicht. Nach einer Weile sagt die Kleinere der beiden, sie seien eigentlich von Belgien aus fast alles mit dem Zug gefahren. Nachdem ich in der Herberge einen schmucklosen Stempel kassiert hatte, verabschiedete ich mich von den Nonnen und machte ich mich sofort auf den Rückweg. Aber da wir durch die halbe Stadt gelaufen waren, fand ich nicht mehr zu meinem Fahrrad zurück. Fatal. Alles Suchen half nichts. Der Schweiß stand mir auf der Stirn, da ich mein Fahrrad nicht abgeschlossen hatte. Ich musste mich von Neuem zum Presbyterium durchfragen. Große Erleichterung, als ich es endlich finde.

Allmählich bedeckte sich der Himmel und es tröpfelt ab und zu. Unverdrossen radle ich bergauf bergab auf der D 953 bis mich hinter Lauzerte ein Wegweiser auf die D 957 nach Moissac schickt. Müde und abgekämpft quäle ich mich die Berge hoch. 6 km vor Moissac gebe ich auf und biege in einen Feldweg ein. Das erweist sich schon nach ein paar Metern als Volltreffer. Herrliches Campen auf einem ehemaligen Weinberg. So sicher und ungestört habe ich mich selten gefühlt. Dazu eine schöne Sicht auf die umliegenden Hügel. Aus lauter Freude genehmige ich mir zur Nacht eine kleine Flasche Cognac.

Sonnabend, 28. April

14. Tag Start 7.45 vor Moissac, Ankunft 19.30 Uhr Marssolan, 81 km

Weg: 6 km vor Moissac, am Kanal entlang nach Valence, D 953 nach Miradoux, D 23 nach Lectoure, D 7 nach Marsolan.

In der Nacht klarte es auf. Trotzdem war es warm und trocken. Ich packte schnell meine Habseligkeiten zusammen und schob das Fahrrad vom Weinberg herunter auf den Hohlweg. Dann ging es die D 957 in rasender Fahrt den Berg hinab bis Moissac. Da ich am Friedhof vorbei fuhr, füllte ich dort meine Wasserflaschen wieder auf. Der Friedhofswächter warnte mich aber, das Wasser sei von unten verunreinigt. Natürlich sollte das ein Scherz sein, dennoch kam mein Lachen ziemlich gezwungen.

In Moissac wollte ich unbedingt einen Ersatzschlauch besorgen. Fast eine Stunde irrte ich in der Stadt umher, bis ich schließlich auf den "Bricolaire" stieß. Die ganze Belegsschaft beriet mich ausführlich und verkaufte mir endlich einen "Michelin", den besten, den ich nehmen könnte. Noch im Supermarkt Essen und Trinken eingekauft und anschließend in der Kathedrale meinen Stempel geholt. Da banden sie gerade Kränze und Sträuße, um die Kirche zu schmücken. Eine alte Dame unterbrach sofort ihre Tätigkeit und stempelte mir ein wunderschönes Druckbild in meinen Pilgerpass. Sie wünschte mir allen Segen für meinen Weg nach Santiago. Ich verließ glücklich die Kathedrale und war mit Moissac und der langen Sucherei nach dem lächerlichen Fahrradschlauch versöhnt.

Ich hatte das Glück, dass mir ein Mann für die Weiterfahrt den asphaltierten Radweg am Kanal empfahl. Da können sie 20 km in einem Stück gerade aus fahren, schwärmte er. Das hörte sich für mich zwar nicht so berauschend an, aber da ich heute eine gewisse Mattigkeit und Müdigkeit spürte, die Auswirkungen des Cognacs von gestern Nacht, war ich froh, mit geringstem Aufwand nach Valence zu kommen.

11 Uhr fuhr ich aus der Stadt heraus und tatsächlich, ich radelte auf einem schnurgeraden Radweg neben dem Kanal so weit das Auge reichte. Auf beiden Seiten der Wasserstraße standen riesengroße alte Eichen, deren Blätterdach den ganzen Kanal in dämmeriges Licht tauchte. Der Schatten war mehr als wohltuend. Denn als ich auf die Garonne schaute, die oft nur wenige Meter vom Kanal entfernt war, konnte ich das gleißende Licht kaum ertragen.

Auf der D 953 quälte ich mich dann wieder über Berg und Tal bis nach Lectoure. Auch viele Pilger schleppten sich hier über die Straße. Man merkte ihnen an, dass sie unter der unbarmherzigen Sonne litten, die durch das gleißende Himmelsweiß stach. Sie grüßten kaum zurück, lahmten und schlurften mit den Beinen dicht über den Boden.

In Lectoure erkundigte ich mich an der Touristen Info nach einem Campingplatz in der Nähe. Der liebenswürdige Herr, telefonierte herum um und empfahl mir den Campingplatz in Marsolan zu nehmen. 5 bis 6 Kilometer hatte ich noch zu fahren, aber ich musste mich durch die Berge quälen als wären es 20 gewesen. Völlig ermattet erreichte ich nach einer letzten giftigen Steigung Marsolan.

Marsolan, ein Dorf auf der Kuppe eines Hügels, schien wie ausgestorben. Auch ein Hinweisschild auf einen Campingplatz fehlte. Mir sank der Mut. Auf der Suche nach dem Platz irrte ich in dem leeren Dorf herum. Da auf einmal spielende Kinder. Kaum hatte ich sie nach einem Campingplatz im Dorf gefragt, kam ein Mann aus dem Bauernhaus gerannt und raunzte mich lautstark an, es gäbe hier keinen. Ich war wie erschlagen und lief ratlos auf den Ausgang des Dorfes zu. Da am Ende sah ich ein altes Haus, dessen Erdgeschoss offen zugänglich war. Ich schaute verstohlen genauer hin und spielte mit dem Gedanken, mich einfach hier einzuquartieren. Vorsichtshalber drehte ich mich noch mal um, ob mich jemand beobachtet haben könnte. Ach du meine Güte, keine 10 Schritt entfernt mauerte ein junger Mann an der Torbogeneinfahrt seines Hauses herum. Natürlich hatte der mich gesehen, auch wenn er tat, als würde er nur seine Arbeit sehen und meine Gedanken wird er wohl auch erraten haben. Jedenfalls sagte er, wenn ich wollte, könnte ich auf seinem Grundstück zelten. "Ja gerne, danke." Er bat mich in sein Haus und zeigte mir die Toilette und die Dusche, die ich gleich benutzen könne. Ich wäre vor Freude fast ausgeflippt. Dann bat er mich, ich solle ihn in Ruhe weiter arbeiten lassen und solle mir alles, was ich brauche, nehmen. Kaum konnte ich es fassen. Gerade noch war die Situation hoffnunfgslos und nun das Paradies. Ich dankte ihm, ging auf die Toilette, duschte mich, wusch meine Wäsche und kochte mir in der Küche mein Steak. Dann lud ich ihn zu einem Glas Wein ein. Da mittlerweile ein Gewitter aufgezogen war, bot er mir an in der Dachstube zu schlafen.
Wir tranken zusammen Rotwein und unterhielten uns wunderbar. Schließlich fotografierten wir uns. Als ich ihm vorschlug die Bilder sofort auf seinen Laptop zu laden und das auch klappte, war die Begeisterung groß. Wir sahen uns die Bilder meiner bisherigen Pilgerreise an. Genial, sagte Michél immer wieder, bis er plötzlich ins Bett gehen wollte, weil er morgen früh gleich wieder an seine Arbeit wolle.

Als ich mich in der Dachkammer in meinen Schlafsack rollte dankte ich dem Herrn. .

 

Sonntag, 29. April

15. Tag Start 8 Uhr Marsolan, Ankunft 17.30 Uhr Aire s L`Adoure, 92 km

Weg: Marsolan, auf D 7 nach Condom, auf D 931 nach Eauze und Manciet, auf N 124 nach Aire sur l´Adoure

Sehe Michel nicht mehr und verabschiede mich innerlich voller Dankbarkeit. Mache mich schnellstens auf den Weg und esse kaum etwas. Der Morgen ist ziemlich kalt und über den Feldern wallt Nebel. Es läuft zwar heute besser als gestern, aber bei der kleinsten Steigung schmerzen meine Muskeln. Ich mache nichts anderes, als diese eintönige Strecke von einer Berg- und Talwelle zur nächsten abzuspulen. Die Schönheit der Landschaft kann ich kaum genießen. Aber so ist.Wenn sich auf dem Weg quälen muss, hat man keinen Blick mehr für die Besonderheiten und Schönheiten eines Landes.

Komischerweise sind in diesem Landstrich die Menschen nicht mehr so freundlich. Die Kuchenteilchen werden mir unwillig zugeschoben. Auch in Condom herrscht eine seltsam unfreundliche Stimmung. Als ich nach der Kathedrale und dem sonntäglichen Gottesdienst frage, zuckt der ältere Mann mit den Schultern und sagt mir, er brauche keinen Gottesdienst. Als ich in dem kleinen Einkaufsladen versehentlich einen falschen Raum betrete, werde ich patzig zurechtgewiesen. In der Kathedrale ist es merkwürdig tot. Kein Schmuck, kein Gottesdienst. Der Abbe, der meinen Pilgerpass stempeln könnte, ist nicht erreichbar.

Zum Ausgleich schaue ich mir das Armagnac Museum an. Als ich all die Kessel, Fässer und Marotten sehe, überfällt mich der Wunsch den guten Armagnac Cognac zu trinken. Das kann ich mir aber nach meiner Eskapade vorgestern Abend nicht mehr erlauben.

Schließlich verlasse ich erleichtert Condom auch ohne Stempel. Dann kämpfe ich mich über die endlose Landstraße nach Mancier. Manchmal kurze Pause. Esse meinen Zungenwurstsalat und trinke Milch. Das gibt wieder neue Kraft. Das Wetter wird auch zusehends besser. Sonnenschein und Cumuluswolken. Ich schwitze, dürste, trinke und kann kaum noch auf dem Sattel sitzen, weil mir der Hintern weh tut.

In Aire finde ich gleich einen Zeltplatz gefunden und baue mich an der Adoure auf. Gute Sanitäranlagen! Brate meine Steaks und trinke Bier, obwohl ich liebend gern auch einen Cognac getrunken hätte. Aber heute bin ich eisern. Will schließlich morgen nicht noch mehr leiden. In Aire ist was los. Bis in die Nacht hallt laute Disco Musik über die Adoure.

Montag, 30. April

16. Tag Start 9.15 Aire, Ankunft 15.30 Arthez de Bearn, 61 km

Weg: Campingplatz Aire, auf N 134 nach Garlin, auf D 946 nach Arthez de Bearn

Erstaunlich heute Nacht fiel kein Tau. Also blieb das Zelt trocken und so hatte ich meine 7 Sachen schnell auf das Rad gepackt. Ich fühle mich frisch und fit und radle auf der N 134 Richtung Pau. Nebel liegt über dem Land und ich muss mich vor den nach Süden donnernden Lastwagen in Acht nehmen.

In Garlin gehe ich aus Lust und Laune, besser gesagt aus einem ständigen Dauerappetit auf alles Essbare in einen großen Supermarkt. ½ Liter Youghurt "Erdbeere" trinke ich sofort vor dem Laden aus. Die Äpfel und den Thunfischsalat verstaue ich im Rucksack. Das nächste Ziel ist Arthez. Im Stillen schiebe ich die Weiterfahrt hinaus, weil mir schon auf der Nationalstraße mit ihren gemäßigten Steigungen die Beine weh taten. Aber es hilft nichts, ich muss weiter. Treten, treten, treten und ab und zu schieben und das bis nach Arthez. Gott sei Dank lichtet sich der Nebel und ich kann mich wenigstens an der Landschaft erfreuen. Um die Mittagszeit wird es dann noch brennend heiß und ich schwitze, dass mir das Wasser in Bächen die Stirn herunter rinnt. In Arthez werde ich eine kurze Pause machen und dann noch nach Navarrenx weiter radeln, plane ich im Stillen.

Gedacht getan, ich setze mich vor der Kirche in Arthez auf eine Bank und esse meinen Thunfischsalat. Mein Körper glüht. Ich schaue von meiner Bank aus über das bergige Pyrenäen Vorland bis zur Kette der Pyrenäengipfel in weiter Ferne. Bei genauerem Hinsehen, entdecke ich, dass der Himmel schwarz ist und weiße Schleier die Sicht auf die Berge verdecken. Ich denke mir nichts dabei. Aber plötzlich rast eine eiskalte Sturmbö über den Kirchplatz und schockt meinen Körper, sodass ich sofort einen Schüttelfrost bekomme. Zwei Buben, die sich in der Nähe aufhalten und mich schon einige Zeit beobachtet haben, führen mich zur Pilgerherberge.

Man nahm mich sofort auf, denn es waren genügend Betten frei. Kaum hatte ich mich einquartiert, brach ein furchtbares Unwetter mit Hagel und Wolkenbruch los. Ich war heilfroh ein Dach über dem Kopf gehabt zu haben und streckte mich lang auf dem Bett aus. Tief in meinen Schlafsack gewickelt, versuchte ich den Kälteschock zu überwinden. Plötzlich öffnete sich die Tür und jemand schaute kurz hinein.

Die anwesenden französischen Pilger waren zwar freundlich, konnten sich aber kaum vorstellen, dass ich schon eine so weite Tour hinter mir hatte. "Von Deutschland aus?" fragten sie ungläubig. Leider lahmten sie alle mehr oder weniger. Das Ehepaar aus dem französischen Jura war todunglücklich, weil die Frau ein dickes Knie hatte, das sie kaum noch bewegen konnte. Sie fragten mich, ob es nicht für mich ein Problem sei, allein zu sein. "Nein", sagte ich, "ganz im Gegenteil, Probleme tauchen meist auf bei denen, die nicht allein sind." Da mussten sie herzhaft lachen, denn sie hatten auch ein Problem. Der Mann wollte weiter laufen aber die Frau konnte nicht.


Der Mann des anderen Paares, der das rechte Bein nachzog, als ob es schmerzte, teilte mir kategorisch mit, dass er an meiner Stelle nicht von Deutschland gestartet wäre. Das wäre bestimmt ein Fehler. Ich verstand nicht, warum er das so sah. Der Mann des Ehepaares, das nicht mehr weiter pilgern konnte, erkundigte sich nach meinem gesundheitlichen Befinden auf dieser Tour. Ich erzählte, dass es mir gut ginge, dass mich natürlich die Berge anstrengten. Da mischte sich der andere Herr ein und sagte: "Der schläft auch Nachmittags immer. Ich habe das selber gesehen." Das sagte er mit einem Unterton, als wenn er als Fußgänger dazu keine Zeit hätte. Ich verstand sein Französisch genau. Waren das die verzweifelten Erklärungsversuche eines Menschen, der nicht wahr haben wollte, dasss er seinen Körper nicht mehr soviel abverlangen durfte?

 

Dienstag, 1. Mai

17. Tag Start 8.30 Uhr Arthez de Bearn, Ankunft 16 Uhr St. Palais, 67 km

Weg: Pilgerherberge Arthez de Bearn, auf D 31 zur N 117, auf N 117 bis Lacq, auf D 31 bis Mourenx, auf D 111 bis Navarenx, auf D 936 bis Sauveterre, auf D 933 bis St. Palais

Ein dunkelgrauer Morgen mit tiefhängenden Wolken. Am liebsten würde ich hier bleiben, aber dem ungeschriebenen Pilgergesetz folgend, muss ich aufbrechen. Herzliche Verabschiedung von dem Paar aus dem französischen Jura.

Für die weitere Fahrt entschließe ich mich den Weg über Navarenx zu nehmen, weil mir die Uferstraße an der Gave d´Oron nach Sauveterre leichter zu befahren erscheint, als an der Gave de Pau. Nach Mourenx geht es fast nur bergab. Leider setzte dort strömender Regen und große Kälte ein. Auf den Straßen war nun kein Mensch mehr zu sehen. Ich zog mir Regenjacke und Gamaschen über und kurbelte durch die Regenwand bis St. Sauveterre. Klar, dass ich bis auf die Haut pitschenass war. Wenigstens hielt ich mich durch das hohe Tempo warm.

In St. Sauveterre holte ich mir in einer Bar meinen Stempel. Später suchte ich unter einer Arkade Schutz vor dem Regen. Dort stand bereits ein Pilger, der mir zwar verriet, dass er zu Fuß aus Deutschland gekommen wäre, der aber sonst nicht mit mir redete. Ich nahm eine Kleinigkeit zu mir, eine Banane, Milch und Kekse. Wortlos reichte ich dem Pilger meine Kekse, die er auch annahm. Als ich zu frieren begann, da fuhr ich trotz des unaufhörlichen Regens weiter. Jetzt ertrug ich Kälte und Regen in stoischer Ruhe. Der halbe Ruhetag wirkte sich positiv aus und so musste ich mich diesmal nicht über die Berge quälen, sondern trat munter und leichtfüßig in die Pedale und war schon bald in St. Palais.

In St. Palais rief mir plötzlich ein Mann etwas lautstark nach. Ich bremste und der Herr kam im Regen auf mich zu gerannt. Es war Flavio, der Herbergsvater des ehemaligen Klosters. Er redete auf mich ein, bei diesem Wetter das Fahren aufzugeben. Er könne mir ein Zimmer anbieten, ein Einzelzimmer für 11 EUR. Viel brauchte es nicht, um mich zu überreden und so stand ich schon bald im ehemaligen Kreuzgang des Kloster und löste meine Packtaschen vom Fahrrad.

Roland, ein freundlicher Deutscher aus Leipzig, sieht meinen pudelnassen Zustand und brüht schnell einen heißen Kaffee auf. Dann ziehe ich mir trockene Wäsche an und hänge die nassen Sachen in der Küche über einen Ständer zum Trocknen auf. Später gehen wir gemeinsam eine Pizza und eine Flasche Rotwein kaufen. Essen und trinken müssen wir allerdings in der Herberge. Roland befragt mich zu meinen Erfahrungen als Radpilger. Ich sage ihm, dass die Berge, wenn man zuviel Gepäck mit sich führe, ein Problem seien. Ansonsten sei ich sehr zufrieden. Da gesteht er mir, dass er wohl einen großen Fehler gemacht habe. Er sei von Lenctour aus gepilgert, habe aber jetzt Schwierigkeiten mit dem Knie. Eigentlich sei er Radfahrer und verstehe sich selbst nicht, warum er nicht das Rad genommen habe. Armer Roland.
Ich bitte für ihn und dämpfe meine Freude darüber, dass ich Morgen wohl die lang ersehnte Grenze nach Spanien überschreiten werde.

Mittwoch, 2. Mai

18. Tag Start 7.45 St. Palais, Ankunft 10.30 Uhr St. Jean Pied-de-Port, 30 km

Weg: Pilgerherberge St. Palais, auf D 933 St. Jean Pied-de-Port, Frankreich

Klostermauern sind dick und kühl, vielleicht sind sie auch feucht. Die kühle stehende Luft ließ mich unruhig schlafen. Morgens 7 Uhr sitze ich mit Roland am Frühstückstisch. Er brüht mal wider einen Kaffee auf, da ist er einfach der Schnellste. Dazu gibt es Weißbrot und Marmelade, im Übernachtungspreis inbegriffen. Wir kauen schweigend vor uns hin. Roland ist deprimiert, ich kann das verstehen. Nichts ist schlimmer, als sich mit körperlichen Handycaps über den Camino zu quälen, vielleicht sogar unter Schmerzen. Und einfach aufhören, nach Hause fahren? Oft geht das nicht, weil der Gesichtsverlust in der Heimat zu groß ist. Oft geht es aber auch nicht, weil Aufgeben, Abbrechen, Beenden nicht zum eigenen Selbstverständnis passen. Der Camino ist mittlerweile gesellschaftlich zu Prestige beladen. Gibt es einen Ausweg? Ja! Man nimmt einfach den Bus oder die Eisenbahn und steuert das nächst Ziel auf diese Weise an. Seit Hape Kerkeling sind diese kleinen Mogeleinschübe salonfähig geworden. Reden wir besser nicht drüber.

Der Morgen ist kalt. Über mir dunkle Wolkenbänke, aber im Süden, über den Pyrenäen klart es auf. Es sieht nach Föhn aus. Ich fahre erstaunlich leichtfüßig auf den in der Ferne lockenden türkisfarbenen Himmel zu, auch in der Hoffnung, der Regenfront im Norden davon fahren können. Der Gedanke endlich in St Jean Pied de Port anzukommen, beflügelt mich zusätzlich. In diesem kleinen Ort werde ich meine Fahrt durch Frankreich abschließen.

Einfahrt in das Städtchen St. Jean bei strahlendem Sonnenschein. Besser und würdiger konnte mein Empfang hier gar nicht sein. Als nächstes war mein Augenmerk auf Stätten spirituellen Erlebens gerichtet, einfacher gesagt, ich wollte eine Kirche aufsuchen, innere Einkehr halten und danken für den Verlauf der bisherigen Pilgertour. Vorsichtshalber wollte ich in St. Jean einen zweiten Pilgerpass beantragen, falls meine Stempel nicht alle auf dem alten Pass untergebracht werden könnten. Eine Portugiesin im flotten Radlerdress, erkannte sofort, dass ich etwas suchte und führte mich anscheinend selbstlos durch die Innestadt zum Pilgerbüro. Leider machte die Dame einen ziemlich halbseidenen Eindruck, sodass ich zu sah, meinen Weg allein fortzusetzen. Überhaupt machte St. Jean Pied de Port den Eindruck einer Touristenhochburg. In den durchaus stimmungsvollen kleinen Gassen, reihte sich ein Andenkenladen an den anderen. Lautes Rufen, Lärmen und Lachen der Pilger erfüllte das Städtchen und gab ihm eine profane Note. Im Pilgerbüro wurden Pässe am Fließband ausgestellt. Leider war die Kirche geschlossen, oder sogar Gott sei Dank? Ich hatte nur einen Wunsch, dieses Babel sofort wieder zu verlassen. Ein paar Bilder in den Kasten, eine Vesperpause auf einer Parkbank und schon war ich wieder auf meinem Weg nach Santiago.

Teil 4 Durch Spanien von den Pyrenäen bis Leon
Eingangsseite zum Pilgertagebuch

Tagebuch meiner Pilgerreise auf dem Jakobsweg

mit dem Fahrrad

von Markdorf (Bodensee) nach Santiago de Compostela

Copyright Klaus Goerschel

Teil 3

Durch Frankreich von Le Puy-en-Velay bis St. Jean Pied-de-Port