Teil 2 Durch Frankreich von Neydens bis Le Puy
Sonnabend, 14. April
Hole mir in Bermatingen 19.33 Uhr meinen ersten Stempel für den Pilgerpass ab. Gerade gestern habe ich ihn aus Würzburg erhalten. Der Pfarrer sagt, noch nie habe jemand in Bermatingen einen Stempel für den Jakobsweg abgeholt. "Wo solls denn hin gehen?" "Nach Santiago", als ich das sagte, trocknete mir der Mund aus. Wahrscheinlich hat er auch mein Schlucken bemerkt, denn er meinte, ich könnte ja jederzeit umkehren. Ich nicke, aber er kann nicht ahnen, wie ernst mir damit ist, tatsächlich in Santiago anzukommen.

Teil 1

Von Konstanz durch die Schweiz bis Genf


Sonntag, 15. April
1. Tag: Start Markdorf 10.30 Uhr, Ankunft 20.00 Uhr hinter Kloster Fischingen, 76 km

Weg: Markdorf, Meersburg, Fähre, Konstanz, Fischingen

Welch herrliches Wetter zu Beginn der Reise. Strahlender Sonnenschein und warm wie im Frühsommer.
Mit meinem schwer beladenen Rad fahre ich von Markdorf nach Meersburg und bin entsetzt wie es wackelt und schwer zu lenken ist. Auf der Fähre errege ich Aufsehen und werde gefragt, wohin die Reise gehen solle, komme mir aber komisch vor zu sagen, dass ich ein Jakobspilger bin. Im Münster in Konstanz lass ich meinen Pilgerpass abstempeln. Leider kann ich der Dame nichts abkaufen, so sehr sie mich auch darum bittet, weil ich das bis Santiago mitschleppen müsste.

Auf dem Schwabenweg durch den verfrühten Frühling bis zum Kloster Fischingen geradelt. An der Außenmauer des Klosters wird der Pilger fürsorglich darauf hingewiesen, dass er bis Santiago de Compostela noch 2400 Kilometer vor sich habe. Ich betrete das Kloster und frage nach Unterkunft für die Nacht. Der hagere Mönch blättert lange und verlegen in einer großen Kladde. Dann nennt er mir einen Preis in Schweizer Franken. Nun hatte ich das warme Gefühl, dass man hier bestimmt die spirituellen Belange des Pilgers besser kannte, als seine wirtschaftlichen. Ergo übernachtete ich mit meinem Zelt in Gottes freier Natur.


Montag, 16. April

2.Tag: Start 8.15 Uhr hinter Kloster Fischingen, Ankunft 21 Uhr Seelisberg am Vierwaldstätter See, 100 km

Weg: Fischingen, Rapperswil, Einsiedeln, Schwyz, Brunnen, mit Fähre nach Treib, Seelisberg

Die Schweiz ist wachsam und gegen jeden Eindringling gewappnet. Um Mitternacht nämlich fixierte sich schräg über mir im Nachthimmel ein Hubschrauber. Ich hatte das seltsame Geratter im Zelt gehört und war neugierig hinausgesprungen. Erst hatte ich an überirdische Lichterscheinungen geglaubt, weil ein Scheinwerfer hell wie eine Supernova fest am Firmament stand, als wolle sie meine kleine Bergkuppe ausleuchten. Im Schlafanzug stehend schaute ich unverwandt auf den neuen Stern. Da bewegte er sich plötzlich und nun sah und hörte ich, dass es ein Hubschrauber war. Nichtsdestotrotz außerordentlich gut geschlafen.

Kurz vor dem Hörnli gebe ich es auf, bis Santiago nur den Camino zu benutzen. Mein Fahrad ist einfach zu schwer und nicht geeignet, es einen steilen Bergpfad hinauf zu schieben. Es reicht doch wirklich, wenn du dich auf der Landstraße zum Kloster Einsiedeln begibst, dachte ich und selbst dieses Unterfangen forderte ab Pfäffikon meine letzten Kräfte heraus.

Bin glücklich über meinen Stempel im Kloster Einsiedeln. Fotografiere aus lauter Freude die Schwarze Madonna und will mich gerade in großer Anteilnahme zu den Betenden setzen, da kommt einer und sagt zu mir.: Das sollten sie nicht tun! Ich blieb wie angewurzelt stehen. Er meinte wohl das Fotografieren. Ich war irritiert und setzte mich nicht und verließ die Kirche.

Mit der Fähre auf dem Viewaldstättersee nach Treib überzusetzen, ist ein sehr inniges Vergnügen. Der stille See und die schneebedeckten Berg in der Ferne, ein schönes Bild, das ich nicht vergessen werde. Von Treib (434m) laufe und fahre ich mehr als eine Stunde hinauf nach Seelisberg (1103 m). Da ich nicht 120 Franken für die Übernachtung ausgeben will, baue ich mein Zelt bei Dunkelheit in einer feinen Parkanlage auf. Wenn mich hier die Gendarmerie aufbringt, muss ich zahlen. Doch dieser Platz ist einfach genial. Im Schlagschatten dicker Baumstämme ist mein Zelt trotz der Straßenlaternen einfach nicht zu sehen.

 

Dienstag, 17. April

3. Tag: Start 7.45 Uhr Seelisberg, Ankunft 17 Uhr Interlaken, 96 km

Weg: Seelisberg, Beckenried am Vierwaldstätter See, Stans, am Sarner See entlang, rechtes Ufer Lungener See, Brüning Pass, rechtes Ufer Brienzer See, Interlaken

Herrlicher Sonnenaufgang und wunderbare Sicht auf den Vierwaldstätter See. Frühstück auf der Parkbank als würde ich gerade eine Jause zu mir nehmen. Dennoch ernte ich die mißbilligenden Blicke eines korrekten Frühaufstehers. Bin jetzt richtig glücklich, die Nacht so ruhig und ungestört verbracht zu haben.

Leider ist es heute Morgen bitter kalt. Mit Kapuze und dicken Handschuhen schieße ich die gewundene Passstraße hinunter. Als ich den ruhig atmenden See erreiche, umfängt mich wieder der Frühling. Mandelbäume im rauschenden Rosa und lilablühende Magnolien. Ich versuche die Pracht im Bild festzuhalten, da kommt ein Radler an mir vorbei und bremst sofort. Er stellt sich als Jakobspilger vor und fragt, ob ich auch Pilger sei. "Ja, ich bin unterwegs nach Santiago." "Na das ist ja toll. Dann bist du der erste Pilger, dem ich begegne." sagt er und dann holt er aus: "Also fahr bloß nicht über Interlaken. Ich hab gestern n Motoradfahrer kennengelernt, der hat gesagt, der Pass nach Interlaken ist viel zu steil. Also ich fahr jetzt über Bern. Ich zeig dirs mal auf der Karte. Am besten wir fahren gemeinsam erst nach Luzern und dann durchs Berner Oberland. Schreib mal meine Handynummer auf." Vorsichtig wendete ich ein: "Weißt du, ich bleib auf dem Jakobsweg. Ich freu mich auf Interlaken, da nehm ich den Pass in Kauf." Wir wünschten uns gute Reise, winkten kurz und er fuhr mit 24 km pro Stunde weiter Richtung Luzern, während ich mich mit 16 km pro Stunde links Richtung Interlaken hielt.

Je mehr es auf die Mittagszeit zu ging, desto unbarmherziger brannte die Sonne. Kurz nach Stans gesellte sich ein junger Mountainbiker zu mir und erzählte während des Fahrens, dass er letztes Jahr von der Schweiz aus auf dem Jakobsweg nach Santiago geradelt sei. "Es war ganz toll. Wir sind auf dem Atlantik-Küstenweg gefahren. Das war die schönste Fahrt meines Lebens. Ich hatte übrigens die gleichen Gepäcktaschen wie Sie. Vorne links die Nahrungsmittel und rechts die Küche. Haben sie das auch so gemacht? Und hinten haben Sie das Zelt drauf. Genauso habe ich es auch gemacht. Ich heiße Rene, am liebsten würde ich mitkommen." "Na fein , ich kann dich verstehen." Ich machte noch schnell ein Bild von ihm und dann wünschte er mir gute Reise und weiter gings.

Der Brüning Pass war tatsächlich ein hartes Stück Arbeit. Hinter Giswil warnte zwar ein Schild, auf den nächsten 13 km stiege die Straße um 552 m an. Aber das war eigentlich mehr ärgerlich als hilfreich, denn es blieb mir ja nichts anderes übrig, als über diese Passstraße nach Interlaken zu fahren. Aber an der Stelle mit den 13% Steigung, da habe ich mein schwer beladenes Fahrrad nicht hinauf geschoben, sondern ich habe es hinauf gestemmt.

Auf der Passhöhe lernte ich einen Mann kennen, der letztes Jahr von der Schweiz nach Santiago in 8 Wochen gelaufen war. Er freute sich, einen Pilger nach Santiago vor sich zu haben. "In Frankreich musst du aufpassen." Ich verstand nicht recht, aber als er mein Zelt sah, nickte er und sagte: "Das ist gut."

Erst rasende Abfahrt, dann am Brienzer See ein Gegenwind wie an der Nordsee auf dem Deich. In Interlaken auf dem Campingplatz gezeltet. In der Stadt Rotwein und Dosenbier gekauft. In so einer pikfeinen Stadt bin ich noch nie gewesen. Das riecht förmlich nach Geld. Aber für mich als Pilger gelten andere Gesetze. Ich mache es mir auf einer Bank an der Kurpromenade so richtig gemütlich und hole mein Dosenbier heraus. Was gibt es Schöneres, als mit Blick auf die Jungfrau des Eigermassivs in aller Seelenruhe ein Bier zu schlürfen.

 

Mittwoch, 18. April

4. Tag: Start 8 Uhr Interlaken, Ankunft 20.40 Uhr Romont, 116 km

Weg: Interlaken, rechte Uferseite Thuner See, Thun, Radweg Richtung Bern, Rüeggisberg, Freiburg, Romont

Gleich in der Frühe fuhr ich zur Kirche, um mir einen Stempel vom dortigen Pfarramt zu holen. Die Tür am Hauptportal war bereits geöffnet. Ich betrat das Gotteshaus und hielt Einkehr und Andacht. Anschließend fragte ich einen Kirchenhelfer, wo ich meinen Pilgerpaß abstempeln könne. Der etwas verkniffene kleine Herr ließ demonstrativ seine Arbeit fallen und führte mich durch eine Tür in die Büroräume der Pfarrei. Dann rief er laut: Einen Stempel, einen Stempel! Wie ein Echo hallte es aus den Räumen: Einen Stempel, einen Stempel. Irgendeinem Praktikanten wurde ein Handzeichen gegeben, er möge stempeln. Das tat er denn auch, doch gleichzeitig echote es weiter: einen Stempel, einen Stempel. Indigniert fragte ich nach der Stempelprozedur den kleinen Herrn, ob diese Tür in den Kirchenraum führe. Nein sagte er, hier gehts raus und geleitete mich durch einen Hinterausgang ins Freie. So, nun wusste ich, was man hier vom Pilgern und Stempeln hielt.

Die Episode war schnell vergessen, als ich bei Sonnenschein und einem milden Wind am Thuner See entlang nach Thun fuhr. Viele Menschen winkten mir zu und wünschten mir gute Reise. In Thun wurde ich mehrfach befragt, woher ich käme und wohin ich wolle. Mit vor Fernweh und Sehnsucht glänzenden Augen wünschten mir viele Menschen eine gute Reise nach Santiago. Ein Mann in mittleren Jahren beeindruckte mich besonders. Ich hatte ihn nur nach dem günstigsten Weg Richtung Bern befragt, da erzählte er mir, dass er schon mit dem Fahrrad nach Rom gepilgert sei und am liebsten mit mir mit käme. Den Weg, den ich fahren sollte, beschrieb er mir in aller Ausführlichkeit. Die Beschreibung war so gut, dass ich mich mühelos zurecht fand. Nach ca. 3 km, ich war schon aus Thun heraus, da überholte mich plötzlich eben dieser Mann. Ich freute mich ihn wiederzusehen und sagte, er habe wohl den selben Weg. Nein, er wollte nur schauen, ob ich den Weg nach Bern auch gefunden hätte. Danke, danke! "Gute Reise, denken Sie in Santiago an mich." "Ja natürlich, alles Gute." Als würde ich auf Flügeln getragen, sauste ich auf dem guten Radweg Richtung Bern.

Die Überlandfahrt nach Fribourg war ein einziges Auf und Ab durch eine unruhige Hügellandschaft. Der Himmel bezog sich leider, es wurde kälter und ein heftiger Wind machte mir zu schaffen. In Fribourg fand ich mühelos zur Kathedrale und ebenso mühelos stempelte ich meinen Pilgerpass mit einem an einer Schnur aufgehängten Jakobs-Stempel ab. Hier hatte sich die Kirchenleitung wirklich eine gute Idee einfallen lassen.

Leider verfuhr ich mich, als ich aus Fribourg wieder heraus wollte. Eine ältere Schweizer Dame, die auch Deutsch sprach, half mir rührend weiter, legte mir allerdings auf, in Santiago für sie zu beten. Fast 3 Stunden hatte ich verloren, als ich endlich den Weg nach Romont fand. Es wurde spät. Weder war eine Herberge in Sicht noch ein Campingplatz. Das einzige, was mir in diesem Augenblick Vertrauen gab, war die Tatsache, dass ich mich auf dem Original Jakobsweg befand. Nun dämmerte es bereits und ich freundete mich mit dem Gedanken an, im Dunklen weiter zu fahren, um vieleicht in der nächsten Stadt eine Unterkunft zu finden. Da erschien wenige Schritte vom Wegesrand entfernt ein Schuppen. Um mich herum ausgedehnte Felder und in der Ferne die funkelnden Lichter von Romont.

Welch ein Glück. Es handelte sich hier um einen Unterstand für Feldfahrzeuge, der zur wegabgewandten Seite offen war. Ich überlegte nicht lange, nahm zwei Holzpaletten, die man, so schien es jedenfalls, für mich bereit gelegt hatte und baute mir eine ebene Lagerstatt auf dem Boden. Nach ein paar Bissen Abendbrot, blies ich die Luftmatraze auf und wickelte mich in meine beiden Schlafsäcke. Unbeschreiblich, wie gut ich hier geschlafen hatte.

 

Donnerstag, 19. April

5. Tag: Start 7.45 Uhr nahe Romont, Ankunft 22 Uhr Neydens, Frankreich, 122 km

Weg: Romont, über Oront la Ville nach Lausanne, am Genfer See entlang bis Genf, durch die Stadt Genf bis ehemalige Zollstelle nach Annecy, Neydens, Frankreich

Heute mal ausgiebig gefrühstückt. Mit der Gaskartusche Wasser heiß gemacht und einen großen Pott Kaffee aufgegossen. Außerdem ein reichliches Müsli mit Milchpulver angerührt und noch zwei Käsebrote vertilgt. Ich konnte mich einfach nicht von meinem Unterstand trennen. Zudem waren mir die Finger so steif gefroren, dass ich sie über der Gasflamme aufgewärmt habe.

Über die Lande gehts nach Luzern. Ich musste mich ernsthaft zusammenreißen, um auf der Spur zu bleiben, wenn wieder mal so ein Ungetüm von Laster in 20 cm Entfernung an mir vorbei brauste. In Luzern stieg ich vom Rad und schob es durch die Stadt. In der Innenstadt musste ich auf vielen Wegen um die Kathedrale herumlaufen, wie die Katze um den heißen Brei. Als ich nun endlich auf dem Vorplatz der Kathedrale stand, von dem aus man schön über die Dächer von Lausanne schauen kann, überfiel mich ein tief gefühlter Frieden. Ich stellte mein Fahrad ab und besuchte die Kathedrale. Von irgendwoher bekam ich auch einen Stempel, wobei ich allerdings nicht frei von dem Zweifel war, ob die Rennerei nach dem Stempel überhaupt einen Sinn mache. Denn bis jetzt habe ich mich über die Stempel hauptsächlich im grafischen Sinne gefreut.

Auf einer Parkbank holte ich Brot, Wurst und Käse heraus, schnitt alles zurecht und speiste mit dem größten Appetit. Dazu trank ich wie ein guter Pilger Wasser, gestehe aber ein, dass mich meine Weinflasche im Rucksack über die Maßen gereizt hat. Dass ich dennoch nicht davon getrunken habe, rechnete ich mir hoch an und so fuhr ich körperlich und vor allem seelisch gestärkt eine Stunde später weiter nach Genf.

Am Genfer See entlang zuradeln hört sich zwar gut an, bietet aber nichts aufregendes, da das wunderschöne Ufer, ich darf das mal vermuten, völlig mit Villen zugebaut war. Ab und zu thronte ein Weinschlösschen am Berghang oder sonst ein schönes Haus zierte die ziemlich eintönige Straße. Ich weiß nicht wie es geschah, dass mir auf dieser recht flachen Straße plötzlich das Sitzen auf dem Sattel Schwierigkeiten bereitete. Als ich nach ca. 60 Kilometern Genf erreichte, tat mir der Hintern so weh, dass ich alle paar hundert Meter aus dem Sattel stieg und im Wiegeschritt weiter fuhr.

Durch die Genfer Innenstadt schob ich mein Fahrrad. Als ich einen jungen Mann, schwarz gelockter Paparazi Typ, nach dem Weg aus Genf heraus fragte, sagte er mir auf Französisch, ich solle mal mein Fahrad stehenlassen, er wolle mir den Weg zeigen. Ich hielt das für einen Trick und sagte, das müsse ich mitnehmen, sonst könnte es geklaut werden. "Aber doch nicht in Genf", entgegnete er ziemlich entrüstet. Sein Wort in Gottes Ohr, ich nahm es dennoch mit. Auf dem Jakobsweg durch Genf hinaus zu finden ist ein Problem. Aber die Menschen sind freundlich und hilfsbereit und so wurde ich von einer Hausecke zur nächsten und wieder zurückgeschickt und keiner wollte zu geben, dass er eigentlich gar nicht wusste, wo es lang ging.

Ein jüngerer Herr im schwarzen Anzug nahm sich meiner besonders aufopfernd an. Beeindruckt von meinen 5 Stempeln im Pilgerpass setzte er alles daran, das Presbyterium der Kathedrale, die übrigens geschlossen hatte, nach Feierabend zur Herausgabe des Stempels zu bewegen. Leider erfolglos. Ich dankte ihm nach einer Stunde und schüttelte wärmstens seine Hand. Da konnte er mir nur noch ein Speiserestaurant empfehlen, in dem ich unbedingt essen sollle. Das kam wie gerufen, denn ich hatte gewaltigen Hunger. Also pilgerte ich in die Innenstadt zurück, fand auch das Restaurant und setzte mich müde, aber froh gleich etwas zu essen zu bekommen, an einen Tisch auf der Gasse. Nach langer Wartezeit kam ein ungepflegter Ober mit Stoppelbart und sagte, zu Essen gäbe es noch nichts. "In einer Stunde." Also erhob ich mich und begann wieder mit der Suche aus Genf heraus. Nun hatte ich es endlich sogar geschafft, da fiel mir siedend heiß ein, dass ich vergessen hatte, von Genf Bilder zu machen. Das hieß nichts anderes als Genf abzubuchen und so entschloss ich mich, noch heute abend nach Frankreich weiter zu fahren.

Mit hungrigem Magen zuckelte ich an der alten Zollstelle vorbei auf der Nationalstraße Richtung Annecy. Es war schon lange finster, als ich in Neydens auf einem bereits geschlossenen Campingplatz mein Zelt aufschlug. Eigentlich war meine Ankunft unbemerkt geblieben. Nur ein verschrobener Engländer, der in einem Ford Transit schlief, hatte mich beobachtet und stattete mir nachts einen Besuch ab. Ich konnte die Augen kaum aufhalten. Aber er musste mir unbedingt mitteilen, dass ich hier 16 EUR als Einzelperson zu zahlen hätte, während es doch sonst in Frankreich viel billiger wäre. Ich sagte ihm gute Nacht und ich sei müde. Ja, gut, dann woller er mich gleich morgen früh fragen, wie man am besten nach Dijon käme. Der Knabe ging mir auf den Nerv. Aber verflixt, die ganze Nacht träumte ich von den unverschämten 16 EUR die ich morgen früh würde bezahlen müssen

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Tagebuch meiner Pilgerreise auf dem Jakobsweg

mit dem Fahrrad

von Markdorf (Bodensee) nach Santiago de Compostela

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