Im Winter über die Alaska Range

Allein mit Skiern und Schlitten auf dem Iditarod Trail


Im Winter 2004 hatte ich auf Skiern, mit Pulka und Zelt eine große Tour durch die Weiten Lapplands unternommen. Dieses Jahr trieb es mich nach Alaska. Mit Langlaufskiern und einem Polarschlitten sowie einem sturmfesten Tunnelzelt unternahm ich Anfang Januar 2005 auf dem Iditarod Trail eine expeditionsartige Tour von Anchorage bis in die Berge der Alaska Range. Auf diesem Trail wird alljährlich das berühmteste Hunderennen der Welt ausgetragen. Allerdings machte ich mich schon lange bevor das spektakuläre Rennen der Huskys startete, auf meinen Weg in die Wildnis. Auf diese Weise konnte ich den Trail noch so erleben, wie er schon zu Zeiten der Goldgräber genutzt wurde.

In Anchorage, dem Tor zur Wildnis Alaskas, quartierte ich mich in einem kleinen Eskimo Hotel ein. Wie ein Lauffeuer sprach es sich herum, dass ein Deutscher zu Fuß durch Alaska laufen wolle. "Warum machst du das?" wurde ich immer wieder von allen möglichen Leuten gefragt. Ich lernte Anchorage kennen, diese erdbebengeschüttelte Stadt, die nichts von ihrem Charme aus der Gründerzeit verloren hat. Hier wollte ich meine Expeditionsnahrung zusammenstellen. Kein leichtes Unterfangen in amerikanischen Supermärkten, die einer Esskultur mit Cola, Snacks und Burgern huldigen, gehaltvolle Nahrung zu finden, vor allem für jemanden, der sich in Kälte und Schnee durch den Busch Alaskas schlagen will.

Mitte Januar begab ich mich in das Seen- und Waldgebiet rund um den Nancy Lake unweit von Wassilla. Ich hatte dort inmitten großer Wälder eine Hütte am Lynx Lake gemietet. Um sie zu erreichen, musste ich einen langen Tag mit einer schwer beladenen Pulka durch tief verschneite Fichtenwälder und über viele Seen laufen. Meine Ausrüstung sollte einem letzten Test unterzogen werden. Zudem wollte ich mich an die arktische Kälte Alaskas gewöhnen. Wenn alles gut ginge, würde ich vom Nancy Park aus möglichst schnell auf den alten historischen Iditarod Trail stoßen und bis zum Rainy Pass der Alaska Range marschieren, eine Strecke die allgemein als das schönste und härteste Teilstück des Iditarod Trails bezeichnet wird.

Die Holzhütte, war nur mit einem Rundofen, kahler Holzpritsche und einem Regal, auf das ich meinen Benzinkocher stellte, ausgerüstet. Hier wollte ich für gut eine Woche leben. Bevor ich mich aber in der winzigen Hütte einrichtete, musste ich in den tief verschneiten Wald eindringen und bis zu den Hüften im Schnee stehend Brennholz schlagen. Nach einigen Tagen hatte ich mich an das winterliche Leben gewöhnt. Ich unternahm längere Skitouren, schlief später auch draußen im Zelt, testete den Daunen- und den Synthetik-Schlafsack, gewöhnte mich an die Skischuhe, machte die Arbeit mit dem GPS zur Routine und probierte meine Nahrungsmittel aus. Im Großen und Ganzen war ich zufrieden. Einzig am Gehalt und Nährwert meiner Expeditionsnahrung zweifelte ich ernsthaft. Vor allem der Fettanteil, auf den es ja in der Kälte ankam, erschien mir zu niedrig. Als eines Tages überraschend Monique und Blain in der Hütte auftauchten, dachte ich über das Nahrungsproblem nicht länger nach und verbrachte mit meinen Outdoorfreunden aus Anchorage ein Wochenende mit herrlichen Skiwanderungen durch tiefen Neuschnee, Diskussionen über das Leben in Alaska, aber auch über die Härten einer Solowanderung über die Alaska Range.

Dunkle Wolken jagten über den Lynx Lake und es roch nach Schnee, als ich endlich zu meiner großen Tour aufbrach. Unter die Skier hatte ich Felle gezogen und schritt, die vollgeladene Pulka hinter mir her ziehend über eine Kette von Seen südwärts auf den Wintertrail zu. Auf dieser Spur wanderte ich in anstrengenden Märschen über weitgestreckte mit dürren Fichten bewachsene Sümpfe und durch dichte hügelige Wälder, die von schluchtenartigen Flusstälern, sogenannten Creeks, durchzogen waren, bis hin zum Großen Susitna River. Tagelang durchschritt ich mit meiner ca. 85 kg schweren Pulka den alaskanischen Busch und mobilisierte oft meine letzten Kräfte, wenn es auf langen Steigungen die Hügel hinaufging oder schluchtenartige Täler der Creeks zu überwinden waren. Fiel das Flussufer zu steil hinab, musste ich den Schlitten am Seil in die Tiefe lasssen oder ihn zähneknirschend entladen und die Packsäcke die steilen Abbrüche einzeln hinunter und anschließend hinauf schleppen. Auch wenn ich nur langsam und unter großen Anstrengungen vorankam, genoss ich dennoch die tief verschneiten Wälder, ihre überirdische Stille und das Glitzern des Rauhreifs an den Ästen der Birken. Ab und zu flüchteten Schneehühner in die Büsche, kreuzte ein Vielfraß meine Spur oder die Raben krächzten über meinem Kopf. Glücklicherweise begegnete ich keinem Elch auf dem Trail. Das hätte gefährlich werden können. Nach 5Tagen anstrengenden Marsches, zuletzt bei strahlendem Sonnenschein und Temperaturen bis -32° Celsius, hatte ich endlich den Großen Susitna River erreicht, einen mächtigen Strom, der schon bei den Indianern eine große Bedeutung besaß.

Von nun an führte mich der Iditarod Trail auf dem Eis des "Big Su" und des Yentna Rivers, einem ebenfalls mächtigen Flußsystem, das sich aus den Gletschern der Berge des Denali Nationalparks speist, zu der kleinen Buschsiedlung Skwentna. Ich war glücklich, auf dem flachen Eis des Flusses schnell voranzukommen. Doch nach einigen Tagen hatte ich mit starken, zum Teil sturmartigen Gegenwinden und großer Kälte zu kämpfen. Die Qualität meiner Ausrüstung ließ nach. Die Handschuhe rissen, die Daunen-Luftmatraze wurde undicht, die Daunen des Schlafsackes fielen trotz Dampfsperre in sich zusammen und die Schuhe erwiesen sich als zu schwer und zu eng. An meiner starken Auskühlung spürte ich, dass der Fettanteil meiner Nahrung zu gering war. Als ich mir jedoch in einem kleinen unachtsamen Moment die Kuppen meiner Finger anfror, da wusste ich, wie gefährlich ein Leben im Winter unter freiem Himmel sein konnte.

Meine tägliche Suche nach einem geschützten Zeltplatz im Uferbereich wurde immer schwieriger. Eines Tages war ich bei Temperatur um minus 30 Grad Celsius und sturmartigem Wind gezwungen, mein Zelt auf dem Eis des Yentna Rivers aufzubauen. Da riss mir trotz aller Vorsicht eine besonders heftige Böe das Zelt aus der Hand. Ich hatte viel Glück, dass sich die Sturmleinen in dem nahen Gehölz des Ufers verfingen. Auch die Nacht war schlimm. Die Wände meines Tunnelzeltes knatterten wie killende Segel und jeden Augenblick glaubte ich, der Sturm würde mein Zelt aus der Verankerung reißen. Als dann das Eis des Yentna zu krachen begann, fürchtete ich, dass sich unter meinem Zelt Spalten auftun und Schollen auseinander treiben könnten. Am nächsten Morgen lachte die Sonne und wie ein Mistral brauste der Wind unter blauem Himmel über den Strom. Die Nacht war vergessen.

Aller Mühsal zum Trotz: das majestätisch mäandrierende Flusstal des Yentna Rivers erfreute meine Seele. Umsäumt von Pappeln und Fichten strömte der Fluss, dem die Indianer den Namen gegeben hatten, ruhevoll und mächtig durch das Vorland des Denali und als der vom ewigen Schnee bedeckte Gipfel des Mount McKinley über dem Waldsaum aufstieg, da war er über viele Tage für mich so etwas wie der gute Stern Alaskas.

Als ich dann nach den langen Tagen der Eiseskälte hinter einer Biegung des Flusses unvermutet "Slims Bunkhouse. Open" las, da jubelte ich. "Hier werde ich eine längeren Rast machen, meine angefrorenen Finger versorgen, die Wäsche waschen und Schlafsäcke und Kleidung trocknen", sagte ich mir spontan. In "Slims Bunkhouse" erfuhr ich zum ersten Mal, dass meine Skitour bei den Siedlern bis hoch in die Alaska Range das größte Interesse hervor rief. Sie schätzten es, dass ich allein auf Skiern, mit Zelt und Schlitten durch Alaska lief. Sie erinnerten sich an die ersten Trapper, die Alaska besiedelt hatten. Aber sie hielten meine Tour auch für gefährlich und warnten mich vor heftigen Schneefällen, Blizzards und gewaltiger Kälte. Hier passiere einfach zuviel, sagten sie mir, immer wieder sei jemand verschollen, sei im Eis eingebrochen oder habe sich im Schnee verirrt.

Als ich mich auf den 24 km langen Weg zu dem 70 Seelendorf Skwentna machte, herrschte im Tal des Yentna mit -36° Celsius eisige Kälte. Trotz Sonnenscheins befürchtete ich einen Wetterwechsel mit Schneefällen und setzte alles daran, noch am gleichen Tag Skwentna Roadhouse zu erreichen. Es war schon fast dunkel und um ein Haar hätte ich mich auch noch verirrt, als ich gegen 18.00 Uhr ein winziges Licht zwischen den Bäumen des Waldes blinzeln sah. Nachdem ich 24 km in 5 Stunden ununterbrochenen Marsches zurückgelegt hatte, erreichte ich endlich mit GPS Unterstützung, die mitten im Wald liegende Skwentna Roadhouse Lodge.

Bonny und Steve, die Wirtsleute der Lodge, hatten schon von mir gehört und empfingen mich freundlich mit "Hi, Klaus, nice to meet you! Trink einen heißen Kaffee. Was können wir dir zu Essen machen?" Ich bestellte einen Burger und eine heiße gebackene Kartoffel in Alufolie. Die Wärme und Geborgenheit dieser gastfreundlichen Lodge taten mir außerordentlich gut. Noch am selben Abend begann es zu schneien. Wie in einem Märchen rieselten dicke Schneeflocken auf die Lichtung um die Lodge und schon zwei Stunden später war der Trail, auf dem ich nur mühsam hier her gefunden hatte, von Schnee zugedeckt.

Hatte ich ursprünglich vorgehabt, gleich den nächsten Tag wieder aufzubrechen, so zwangen mich heftige Schneefälle tagelang in der Lodge auszuharren. Es schneite und schneite. Der Flugzeugverkehr kam zum Erliegen und die Trailbreaker stellten ihre Arbeit ein. Ich musste schmerzlich erkennen, dass ich ohne einen festgefahrenen Trail nicht durch die Wildnis Alaskas kam.

Dennoch erkundete ich immer wieder die Umgebung von Skwentna. Trotz Schneetreibens kundschaftete ich die vorgelagerten Sümpfe der Shell Hills aus und erspähte den Zustand des Iditarod Trails. Ich lernte Joe kennen, einen ehemaligen Trapper, der jetzt seinen Dienst im ältesten Postamt der Vereinigten Staaten von Amerika, das noch in einer Blockhütte untergebracht ist, versah und freundete mich mit ihm an. Er gab mir wertvolle Hinweise über den Iditarod Trail in Richtung Rainy Pass. Außerdem hatte er einige Ratschläge parat, wie man sich am besten verhalten sollte, wenn ein Elch auf der Spur stände. Kurze Zeit später auf dem Rückweg konnte ich mich nur noch mit einem kühnen Sprung in den tiefen Schnee vor einem auf mich zu preschenden Elch in Sicherheit bringen. Glück gehabt, wahrlich!

Skwentna Roadhouse war auch eine Tankstation für Motorschlitten. Selbst mitten in der Nacht polterten versprengte Fahrer in die Lodge und wünschten zu tanken. Steve stand aus dem Bett auf, zog sich Hose, Jacke und warme Filzstiefel an, streifte die Stirnlampe über und füllte in finsterer Nacht bei dichtem Schneetreiben die Tanks der Maschinen. Die Männer kamen von überall her, fluchten auf den Schnee, erzählten von ihren Erlebnissen in den Shell Hills oder der Alaska Range, aber auch, wenn sie sich in den Sümpfen verfahren hatten. Sie erkundigten sich auch nach dem Deutschen, der mit Schlitten und Zelt über die Alaska Range wollte, rieten bei diesen heftigen Schneefällen jedoch dringend davon ab, die Tour fortzusetzen. So oft es ging unterhielt ich mich mit den Besuchern über den Trail, das Wetter und was so alles in der Alaska Range passierte.

Als sich einige Zeit später das Wetter besserte, brach ich nach 10 Tagen unsäglichen Wartens endlich wieder auf, jedoch nicht wie ursprünglich beabsichtigt auf dem Iditarod Trail, sondern auf einem Trail über die Berge der Shell Hills zur Lodge am Shell Lake.

Die Shell Hills sind eine Berglandschaft mit steilen Anstiegen, sumpfigen Mooren und dichten Wäldern, durch die sich mühsam ein enger Trail windet. Es ging durch ein tief verschneites Bergland mit hohen Schneewächten und über morastige Moore, in die man im Schneematsch einbrechen konnte. Ich zog meinen Schlitten vorsichtig über Schneebrücken durch die "Hills" und die oft in Nebel gehüllten Sümpfe. Nach einigen Tagen erreichte ich die Shell Lake Lodge, wo ich sehr freundlich aufgenommen wurde. Zoe, eine kleine dunkelhaarige Frau, die es gewohnt war, sich in der harten Männerwelt Alaskas zu behaupten, betrieb hier einen Saloon im Western Stil. Sie war so etwas wie der gesellschaftliche Mittelpunkt der Jäger, Trapper und sonstigen Siedler aus der weiteren Umgebung bis hoch zur Alaska Range. Die Männer tranken Whisky, Brandy, Cola und Bier und fuhren anschließend mit ihren Motorschlitten 30 oder 40 Meilen durch tiefen Schnee zu ihren Hütten. Zoe gratulierte mir zu meinem Trip. Als sie mir später einen riesigen Teller mit frischen Salat und einen noch größeren Teller Spaghetti mit Sauce Bolognese auf den Tisch stellte, sagte sie: "Du brauchst doch 8000 kcal pro Tag". Ja, sie hatte Recht, das brauchte ich, aber woher wusste sie das so genau?

Nach der Shell Lake Lodge wurde das Land immer weitläufiger und einsamer. Hatte ich gehofft, dass es doch irgendwann einmal aufhören musste zu schneien, so sah ich mich getäuscht. Feuchte Wolken trieben ununterbrochen vom Pazifik nach Süd Zentral Alaska und schneiten sich bis in die Berge der Alaska Kette aus. Tagelang stapfte ich mit meinen Skiern und der Pulka über weichen Schnee durch ein schier endloses, dünn bewaldetes Sumpfgebiet. Des Nachts wurde ich zugeschneit und musste mich immer wieder freischaufeln. Ich schmolz mir Schnee, schlürfte Tee und kochte unter der Apsis des Zeltes meine Reissuppen aus der Tüte. Die Hände musste ich besonders schützen. Die Handschuhe durfte ich nicht ausziehen. Trotz aller Kälte, die Luftfeuchtigkeit war hoch. Sie drang von außen in meinen Schlafsack und ich stellte entsetzt fest, dass die Federn mal wieder zusammenklebten. Mehrmals in der Nacht kroch ich aus dem Schlafsack und pumpte meine Luftmatraze auf und schüttelte die Federn. Es war ein erbarmungsloser Kampf um jedes Quentchen Wärme.

Man hatte mich schon ungeduldig in der Winter Lodge am Finger Lake erwartet. Die "Trailbreaker", die mit besonders breiten Motorschlitten den Iditarod Trail über die Alaska Range spurten, warnten mich. Der nächste Streckenabschnitt bis zur Rainy Pass Lodge am Puntilla Lake führe durch allerschwierigstes Gelände. Es ginge 35 Meilen auf steilen Hängen bergauf und bergab, das schluchtenartige Flusstal des Happy River hinunter und durch tief verschneiten dichten Wald.

Des Nachts hörte ich in der Ferne die Huskies wie Wölfe heulen. Sie sangen das Lied der Wildnis Alaskas. Die Warnungen der Männer in der Lodge bewahrheiteten sich. Oftmals mussste ich meine Pulka ausladen und die Packsäcke durch weichen Schnee einzeln den Berg hinauf tragen. Ging es dann wieder ins Tal hinunter, so sauste ich mit atemberaubender Geschwindigkeit, die Pulka im Rücken hinab. Stürze waren die Folge. Oftmals "rettete" mich nur ein Wurf in den tiefen Schnee, vor dem Fall über den Hang.

Der Trail forderte meine letzten Kräfte. In einer brenzligen Situation, als mir der Schlitten am Hang in die Tiefe zu gleiten drohte, erschien wie durch ein Wunder Mike, ein Trapper. Er half mir sofort und lud mich zu einer Tasse Kaffee in seine Hütte am Finnbear Lake ein. Seine Frau Ingrid empfing mich außerordentlich herzlich und bereitete mir eine Mahlzeit mit Kartoffelpüree, Erbsen und herzhaft schmeckenden Elchbouletten. Ich war von der Gastfreundschaft der beiden, die hier wie Trapper lebten, tief gerührt. Die Holzscheite knisterten im Ofen. Bis in die Nacht sprachen wir über Bären, Elche und das Leben in der Wildnis Alskas. Als ich den nächsten Tag wieder aufbrach, gab mir Ingrid ein ganzes Bündel selbst gefangener geräucherter Lachse mit auf den Weg. Der Abschied tat mal wieder weh.

In den nächsten Tagen stieg ich immer höher in die Alaska Range hinauf. Die Wolkendecke riss auf, die Sonne strahlte, der Himmel leuchtete im tiefsten Azurblau und die schneebedeckten Gipfel und Hänge der Berge gleißten in blendendem Weiß. Trotz bitterer Kälte genoss ich das wunderbar glasklare Licht, die zauberhafte Bergwelt und die tiefe Stille um mich herum. Ich war glücklich, als ich endlich die Rainy Pass Lodge am Puntilla Lake erreichte. Hier hatten sich Trapper und Jäger versammelt, die mich fast schon als einen der ihren betrachteten. Man lud mich ein, erzählte von den eigenen Jagderfolgen und wann im Frühjahr die Bären aus den Höhlen kommen. Ein Mann, der nie seinen Hut abnahm, sprach mich unvermittelt an: "Ich bin Buckey Winkley, der älteste Trapper in der Range. Komm, ich zeig dir meine Hütte." Ich folgte Buckey in ein großes Holzhaus. Staunend stand ich vor einer riesigen Sammlung von Gewehren, Pistolen, Messern, Fellen, Schädeln, ausgestopften Tieren, Fossilien und Bronzeplastiken von Bären und Wölfen. Bis unter die Decke hingen Bilder und Fotografien. Buckey erzählte mir von seiner harten Jugend, seinem Leben als Trapper und seinen Erfolgen als Bildhauer der Wildtiere Alaskas. Ich war stolz, dass mir Buckey diese Ehre zukommen ließ.

Ein wenig haderte ich noch, wie es weiter gehen sollte, aber die Männer der Lodge ermunterten mich, auch noch über den wunderschönen Rainy Pass zu laufen. Am nächsten Tag stieg ich zur Hochebene hinauf. Ein furchtbarer Ground Blizzard empfing mich. Er raste mit langen Schneefahnen über die Alaska Range und ich weiß nicht, wie es mir noch ergangen wäre, wenn ich nicht die versteckt liegende kleine Schutzhütte gefunden hätte. Auch wenn nachts die Mäuse auf meinem Schlafsack tanzten, so war ich doch froh, vor dem heulenden, brausenden Sturm geschützt zu sein.

Glücklicherweise ließ der Sturm am nächsten Morgen nach und ich erreichte in der goldenen Nachmittagssonne das Eingangstal zum Rainy Pass. Ich schlug mein rotes Zelt in der Nähe des Trails auf und bereitete mir ein Reisgericht mit Bohnen. An diesem Abend taute ich mein Sojaöl auf und trank es pur aus der Flasche.

Am nächsten Tag lief ich unter großen Anstrengungen durch das Tal des Pass Creek und über steile Anstiege zum 1100 m hohen Rainy Pass hinauf. Oben auf der Passhöhe, einem langgezogenen Joch zwischen zwei hohen Schneegipfeln, genoss ich den köstlichen Moment, endlich auf dem langersehnten Pass angekommen zu sein. Noch strahlte die Sonne, aber im Osten zogen allmählich Wolken auf. In sausender Abfahrt fuhr ich, die Pulka im Rücken, auf den Westhängen der Range in die Dalzell Schlucht hinunter. Da hieß es noch einmal alle Konzentration zusammen zu nehmen und lawinengefährdeten Hängen auszuweichen, nicht über die Schneewächten zu schießen oder auf dem Eis reißender Bäche einzubrechen. Schritt für Schritt tastete ich mich in der Dalzell Schlucht an gurgelndem Wasser vorbei und auf steil abfallenden Hängen entlang zum Tatina River. Großer Jubel als mir die Trailbreaker Tschuk und Terry mit ihren Motorschlitten entgegenkamen.

Das Rohn Roadhouse ist ein Checkpoint des Iditarod Hunderennens. Hier traf ich auch Terry und Lisa wieder, die mir unterwegs geholfen hatten und wurde von Jasper, dem Hüttenwirt sehr gastfreundlich empfangen. In der Hütte diskutierten die Männer bei Brandy und dicken Zigarren meine Expedition über die Alaska Range. Allgemeine Anerkennung. "Schaff dir Huskys an und bleibe hier", rieten sie mir. Meine Reise neigte sich dem Ende zu. Sie halfen mir, ein Flugzeug zu chartern und transportierten meine Pulka auf dem Motorschlitten nach Anchorage. Die Gastfreundschaft und Herzlichkeit kannte kein Ende und als die kleine Chessna mit mir unter ohrenbetäubenden Lärm von dem holprigen Schneefeld des kleinen Sees abhob und über dem Kuskokwim River in den Himmel stieg, da musste ich schlucken und mir über die Augen wischen, währen die Sonne bei McGrath langsam hinter dem Horizont versank.
Knapp Mitte März war ich wieder zu Hause in Deutschland und spürte, dass ein Teil meines Herzens in Alaska geblieben war.

Klaus Goerschel, Markdorf 21. Dezember 2005

 

Zu dieser Reise liegt ein ausführlichr Bericht vor.